Das Gericht ist im Tarot eine Karte, die auf den ersten Blick ein wenig seltsam wirkt. Steigen da etwa Zombies aus ihren Gräbern hervor? Schauen wir nicht genau hin, so vermittelt diese Tarotkarte einen Hauch von Trostlosigkeit, doch weit gefehlt. Die vorletzte Karte der Großen Arkana birgt eine der positivsten Botschaften des gesamten Decks in sich.
Schauen wir uns das Ganze also einmal näher an, indem wir die Bilder entschlüsseln.
Das Gericht im Tarot
Zu Beginn des Artikels beziehe ich mich auf die Karte im Rider-Waite Tarot. Es ist die Karte des höchsten Gerichts, wir können es im biblischen Kontext als das Jüngste Gericht ansehen.
Achtung, wir kramen ein wenig in der Schatztruhe der Heiligen Schrift. Geht das Tarot insgesamt auf sehr alte Zeiten zurück, so dürfen wir nicht vergessen, dass viele der uns heute bekannten Interpreten, so auch Arthur Edward Waite, vor allem christliche Mystiker waren. Dies ist einfach der Zeit geschuldet, in welcher sie wirkten. Also liebe Hexen und magische Wesen da draußen, bedenken wir, dass all dies im Grunde nur Metaphern für eine größere Wahrheit sind, die dahinter verborgen liegt.
Der Narr hat auf seiner Lebensreise die 20. Station der Großen Arkana erreicht. Strahlte er eben noch wie die Sonne selbst, so ist sein irdisches Leben nun verglüht. Alles muss eines Tages diesen zauberschönen Erdenball verlassen, selbst der Narr.
Endet auch das irdische Leben, so ist die Seele eines jeden Wesens unverwüstlich. Der Körper stirbt, aber die Seele lebt weiter und ist nun vollkommen frei. Über allem schwebt auf der Karte der Erzengel Michael, der mit seiner Posaune die Seelen der Verstorbenen ruft, in einem Wolkenbett. Im Vordergrund weckt er mit seinem Ruf drei Menschen auf, eine Frau, ein Mann und ein Kind. Im Hintergrund folgen weitere Seelen dem Klang der Himmelsposaune.
Sie alle sind komplett grau dargestellt. Alles irdische Leben ist ihren Körpern entwichen und es ist Zeit, ihre noch an die Erde gebundenen Seelen in den göttlichen Schoß zurückzurufen. Es bleibt deinem Glauben überlassen, durch was für dich der göttliche Aspekt verkörpert wird.
In diesem Fall ist er durch den Erzengel Michael ausgedrückt, der die Toten wiedererweckt. Seine Flügel sind rot, seine Tunika hellblau. In diesen beiden Farben sind sowohl das Irdische, als auch das Himmlische berücksichtigt. Erzengel Michael ist nach christlichem Glauben derjenige, der über das Schicksal eines Menschen nach dessen Tod entscheidet, indem er dessen Taten in „Gut“ und „Böse“ unterteilt. Es ruft das Jüngste Gericht.
In meinem Verständnis sind alle Seelen freie Wesen, die auf der Erde ihrem ureigenen Seelenplan folgen. Mal opfern sie sich für die Rolle des Bösewichtes, mal stehen sie auf der anderen Seite. Alle Seelen sind bestrebt zu lernen und so ist es nur logisch, dass alle Facetten erfahren werden.
Das Rot des Erzengels steht gleichfalls für die Wärme und das Feuer, schließlich ist er nicht nur Posaunenbläser, sondern auch ein Krieger, der mit Feuereifer die göttliche Ordnung schützt. Bist du christlichen Glaubens, so kannst du mit der Kraft des Engels arbeiten. Rufe ihn, wenn du deine Intuition stärken möchtest. In seinem kriegerischen Aspekt bietet er zudem Schutz, beispielsweise vor Menschen, die dich angreifen (wollen). Du kannst seine Kraft nutzen, um dich vor Alpträumen zu schützen oder generell vor negativen Energien. Er lindert Ängste, Süchte oder stärkt dein Selbstbewusstsein, indem er dich aus der Rolle eines Opfers heraustreten lässt.
Ich ziehe es vor, mit den alten, vorchristlichen Kräften zu arbeiten. Es wäre wohl die Urd, die meinen Lebensfaden durchschneidet und, so hoffe ich, die Freya, die mir Einlass in die göttliche Ebene gewährt. An wen oder was wir glauben, muss jedoch jeder für sich selbst entscheiden. Für mich sind auch die heidnischen Wesen keine körperlichen Götter im eigentlichen Sinne, sondern Ausdrücke ganz bestimmter, überirdischer Kräfte, die sich als sichtbar manifestieren, damit sie für uns Menschen greifbarer sind. So wie ein Krafttier kein Tier ist, dass durch die Dimensionen reist, sondern ein in Tiergestalt verkörperter Aspekt unseres höheren Selbst.
Kommen wir zur Gestalt des Engels zurück, denn diese finden wir auch auf zwei weiteren Karten der Großen Arkana im Waite Tarot, bei der Karte der Mäßigkeit und bei den Liebenden.
Bei den Liebenden schaut Eva zum geflügelten Wesen auf und verkörpert dadurch die Anbindung an eine höhere Daseinsform. Adam ist noch nicht so weit, er ist es, der zu Eva schaut und erstmal beobachtet, was sie so macht. Zwei Seelenpartner treffen sozusagen in unterschiedlichen Entwicklungsstufen aufeinander. Das Yang, das Bewusstsein des Männlichen lernt das Yin, das weibliche Bewusstsein zu durchlaufen, um in eine höhere Ebene aufzusteigen, die eine vollständige, spirituelle Entwicklung erst ermöglicht.
Die Mäßigkeit ist eigebettet zwischen den Karten „Der Tod“ und „Der Teufel„. Der Engel hält Beides an diesem Ort in Balance. Er hat hierbei eine schützende Funktion, so könnte es ausgedrückt werden. Es ist sein Aufgabe unbewusste und bewusste Anteile in Harmonie zu bringen.
Es war also eine Lebensaufgabe des Narren bewusste und unbewusste Anteile zu erkennen und miteinander zu verbinden. Bei den Liebenden begann dieser Prozess, indem es überhaupt erstmal zu erkennen galt, dass es wesentlich mehr als die rein bewusste Ebene gibt. Mit der vierzehnten Station, der Mäßigkeit begann die Verbindung dieser zwei Dimensionen und nun mit dem Gericht stehen sie in vollkommener Harmonie zueinander.
Der Narr hat also auf seiner Reise immer wieder göttliche Führung erfahren und steigt nun selbst in göttliche Sphären auf.
Die Symbolik in der Karte „Das Gericht“ ist diese absolute Hinwendung zum Göttlichen – ein ausgerichtet sein zur höchsten Ebene. Die Seele ist erlöst und wird heimgerufen. Die Menschen erheben sich aus ihren Totenstätten und strecken die Arme nach oben, hin zum Göttlichen.
Nun zeigt es sich, ob es dem Narren gelungen ist, alles Karma, in dem hinter ihm liegenden Leben, abzutragen. Es ist ein langer Weg bis zur endgültigen Erleuchtung und so ist es sehr wahrscheinlich, dass noch nicht alle karmischen Verstrickungen gelöst sind. Meist brauchen unsere Seelen viele Extrarunden auf der Erde, ehe alle Erfahrungen durchlebt sind. Für den Narren heißt es, nachdem er sich in der Vollkommenheit seines Seins (Station 21 – Die Welt) akklimatisiert hat, geht es auf in eine neue Runde – erneut beginnend mit der ersten Station der Reise, dem Magier.
Was, wenn du die Karte ziehst?
Keine Sorge, du beißt nicht ins Gras!
Das Gericht ist eine Karte der Transformation und zwar ganz und gar im positiven Sinne.
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„Ich habe da diesen wunderbaren Mann kennengelernt, … wie wäre es mit einer kleinen Prognose?“ – JA! Schnapp ihn dir!
„Seit 20 Jahren habe ich diesen sicheren Job und nun auf einmal kommt da diese Chance, die mich ehrlich gesagt, ein wenig ängstigt. Was soll ich nur tun?“ – GREIF zu!
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Alles Zeichen der Karte stehen auf – JA! JA! JA! – Fürchte dich nicht, es läuft perfekt, alles ist gut.
So wie die Seele erlöst ist, werden sich mit dem Ziehen der Karte auch all deine irdischen Probleme auflösen und zwar nicht irgendwie, sondern auf die beste Art und Weise. Es geschehen wundersame Dinge, super positive Geschichten widerfahren dir. Der Engel bringt dir GUTES.
Vielleicht denkst du ja: „Puh … Transformation. Kenn ich von dir schon. Gab es beim Tod und schlimmer noch beim Turm. Vielen Dang, aber nee.“ Keine Sorge, diese Wandlung vollzieht sich vollkommen lichtvoll, friedlich und sanft. Du wirst es lieben. Keine Holzhammer Methode, die uns den Boden unter den Füßen wegzieht. Es ist alles gut. Wir werden liebevoll befreit und eine Stufe angehoben.
In gewissem Sinne erlebst du mit der Karte deine eigene Auferstehung, egal auf welchen Prozess es sich bezieht. Also vertraue dem Leben, der göttlichen Führung und vor allem dir selbst. Deine Seele schnuppert an der Luft der Freiheit. Die Karte ermuntert dich, lebendig zu sein, aus dem Schlaf aufzuwachen, alle Tage und Nächte aktiv zu leben und zu gestalten, die Seele aus ihrem Käfig zu befreien.
Gut möglich ist es ebenfalls, dass du kurz vor einem spirituellem Erwachen stehst, die Leiter ein Stück höher steigst und endlich ein Knoten platzt, der dich plötzlich mehr verstehen lässt. Was immer aufsteigen will, mit dieser Karte hast du die besten Chancen auf einen neuen Durchbruch.
Vielleicht verstehst du es nicht gleich, aber es wird nicht lange dauern, bis sich der Sinn der Karte offenbart. Die Lösung ist greifbar nah und du wirst sie nicht übersehen. Es geht also im eigenen Leben nicht um Leben oder Tod, sondern es ist eine Karte der Erneuerung – etwas in dir findet Erlösung oder wird aus alten Mustern befreit.
Schauen wir noch kurz zu Crowley
Hier heißt die 20. Karte der Großen Arkana „Das Aeon“.
Typisch für Aleister Crowley geht es mit dieser Karte in die Selbstverantwortung. Unser eigenes Urteilsvermögen wird hinterfragt. Wie sollen unseren Horizont erweitern und eine andere Perspektive einnehmen, die es uns ermöglicht, eine Situation in ihrer Ganzheit zu betrachten.
Crowley, bekannt für seine Begeisterung rund um die ägyptischen Mythologie, hat im Zentrum der Karte Nuit, die Göttin der Nacht und der Sterne, abgebildet. Tagsüber von der Sonne verschluckt, spannt sie in der Nacht all ihr Sein auf und dient so als dunkler Hintergrund für die Welt der Sterne. An ihrer Seite existiert Hadit, der Wissende – hier dargestellt durch eine geflügelte Feuerkugel. Ihr Kind ist Ra Hoor Khuit, welcher ein Gott der Tat und der Wirklichkeit ist. Er repräsentiert die Welt, die sich als Konsequenz aus allen Handlungen ergibt. Er ist der Gott des neuen Aeons.
Diese drei Gottheiten verkörpern gemeinsam die Trinität, die drei Hauptaspekte des Göttlichen. Sie sind eine modernere Adaption der altägyptischen Gottheiten Isis, Osiris und deren Sohn Horus. Das Auge des Horus sieht stets ganzheitlich.
Wie das Auge des Horus, gilt es zu erkennen, was fehl am Platze ist. Welches Element des Lebens ist in Unordnung geraten und muss wieder an den rechten Platz gerückt werden?
Mit dem Aeon wirst du in die Lage versetzt, jegliche Situation von einer höheren Warte aus zu betrachten, ehe du ein Urteil fällst. Verlasse dich nicht allein auf deinen Verstand. Im unteren Teil der Karte sind Körper, Geist und Seele abgebildet und ein jedes dieser drei Aspekte gilt es, zu berücksichtigen.