Der Eremit im Tarot ist Suchender und Wegweiser zugleich. Er ist der Erde und der Jungfrau zugeordnet. Er hat die Beine auf festem Boden und ordnet seine eigene, seine innere Welt.

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Der Eremit im Tarot

Die großen Schamanen, die Propheten, Gurus, Seher und Völvur – sie alle wählen immer wieder die Abgeschiedenheit, die Einsamkeit. Sie ziehen sich in Berghöhlen des Himalayas zurück, in tiefe Wälder, auch in die Abgeschiedenheit einer Wüste. Manchmal kehren sie für Wochen, manchmal für Jahre der äußeren Welt den Rücken zu, um Zugang zu einer ganz anderen Welt zu finden. In dieser Zeit wachsen ihre spirituellen Erkenntnisse, viele von ihnen werden von Visionen ereilt. Es ist eine Zeit, in welcher das „spirituelle Ich“ (wieder-) geboren wird.

Der Eremit-TarotIm Lärm des alltäglichen Hamsterrrades ist es schwer, die nötige Ruhe zu finden, derer es bedarf, um der inneren Stimme zu lauschen. Zu viele Ablenkungen stören das tiefe Versinken, das Nachdenken und Finden des eigenen Weges.

So ist es nicht verwunderlich, dass ein Sinn-Suchender den Weg der Einsamkeit wählt. Fern ab jeglicher Störfaktoren des „normalen“ Lebens.

Der Eremit ist kein Ausgestoßener, er ist ein Mensch, der ganz bewusst die Isolation wählt. Er trägt eine Laterne bei sich, ein kleines Licht, welches Trost spendet und Licht in das Dunkel bringt. Sie wird benötigt, um das eigene Leben im rechten Schein zu betrachten. Wir kommen in Zusammenhang mit dem Waite-Tarot noch einmal auf dieses Licht zurück.

Wir alle kennen es – möchten wir in aller Ruhe nachdenken, so hilft es, in die Stille zu gehen, sich nicht ablenken zu lassen. Bei den ganz großen (aber auch kleinen) Fragen des Lebens ist das tiefe Versinken in einen meditativen Zustand hilfreich. Diese Art der inneren Einkehr beschleunigt unser spirituelles Wachstum.

Der Eremit möchte seinen Geist öffnen – möchte sinnieren, meditieren und sich den Fragen des Lebens schonungslos stellen. Nun, wir können uns meist nicht für mehrere Monate oder gar Jahre in eine einsame Höhle zurückziehen, aber wir können Kraftplätze aufsuchen, heilige Orte und Quellen gezielt bereisen. Ist der Ruf der inneren Stimme erklungen, so gibt es viele Pfade, denen wir folgen können. Der Ruf ist der erste Schritt auf dem Weg der Selbsterkenntnis.

Aus der Ruhe, der Abgeschiedenheit können wir unsere eigene Stärke ziehen. Es ist ein Pfad der inneren Kraft. Wir beginnen, in uns selbst zu lauschen. Je mehr es uns gelingt, den äußeren Reizen zu entsagen, desto tiefer können wir in unsere innere Welt eintauchen. Unsere Kraft ziehen wir aus der Stille, unsere Erkenntnisse aus den eigenen Reflexionen.

So manches Mal folgen wir dem Pfad anderer Menschen, beten vielleicht Gurus an, Schamanen, Heilige oder andere spirituelle Leitfiguren. Das kann bis zu einem gewissen Grad hilfreich sein, wir können uns darin aber auch verlieren. Der Eremit bietet in der Deutung im Grunde drei Optionen:

  • Rückzug von allen Gurus, um einen eigenen Pfad zu finden
  • das Suchen und Finden eines Lehrers
  • selbst lehren

Du wirst wissen, welche Option für dich zutreffend ist, wenn die Karte fällt. In allen drei Fällen ist es ein Weg der Selbsterkenntnis, der zu neuen Einsichten führt. Vielleicht ist die Zeit gekommen, um nach einem langen Kampf gegen Windmühlen innezuhalten und die Suche nach Innen zu richten. Vielleicht brauchst du für deinen spirituellen Pfad ein wenig Starthilfe.

Erkenne deine eigenen Bedürfnisse und beginne die richtigen Fragen zu stellen.

Was will ich wirklich?

Wer bin ich wirklich?

Wer möchte ich eigentlich sein?

Welche Masken trage ich?

Wo habe ich mich verloren?

Wo kann ich mich finden?

Welcher ist MEIN Weg?

Die Macht der Veränderung liegt letztendlich immer in uns selbst, sie kann durch äußere Umstände angestoßen werden, aber sie kann sich nicht durch das Außen vollziehen. Wir selbst tragen den Schlüssel zur eigenen Weisheit tief in uns. Es ist wichtig, um den eigenen Wert zu wissen. Was wir brauchen, ist ein offenes Herz und ein offener Geist. Wagen wir, das eigene Selbstvertrauen zu erwecken und lernen wir so, unsere inneren Träume zu erkennen.

Es braucht Mut, der Weg ist nicht hell erleuchtet – er liegt zu großen Teilen im Dunkeln und doch scheint trotz allem ein ewiges Licht, wie klein die Flamme auch sein mag.

Der Eremit zieht sich auch zurück, um sich der eigenen Vergänglichkeit, dem eigenen Tod zu stellen. Vor allem hier in der westlichen Welt ist das Thema Tod mit einem großen Tabu belegt, was in vielen Menschen eine schier übermächtige Angst erzeugt. Wie sehr wir uns aber auch winden, es kommt der Moment, wo der letzte Atemzug getan ist. Wir kennen unser irdisches Verfallsdatum nicht, aber es wird so sein – egal wie sehr wir diese Tatsache auch verdrängen.

Der Eremit meditiert mutig über seine Vergänglichkeit und verliert dadurch die Angst vor dem Unveränderlichen. Stellen wir uns dieser Angst, so können wir intensiver Leben. Unser Sein gewinnt an Tiefe. Wir sind erfüllter, dankbarer und demütiger.

Der Eremit ist der Beginn einer neuen Reise, wo der Narr erstmalig die Richtung wechselt und die Welt des Unbewussten und Mystischen betritt.

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Der Eremit im Waite Tarot

Das Licht der Laterne im Waite-Tarot ist ein leuchtender Stern. Waite selbst äußert sich wie folgt:

Ich habe darauf hingewiesen, daß es eine Karte der Vollendung ist, und um diese Vorstellung zu erweitern, steht die Gestalt mit ihrer erhobenen Laterne auf einer Anhöhe.

Waite erklärt, dass der Eremit keinen weisen Menschen auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit darstellt, sondern

Seine Leuchte ist ein Sinnbild der Botschaft: „wo ich bin, vermagst auch du zu sein“.

Der Eremit-Waite-TarotBedeutet dies, dass wir im Inneren alle gleich sind?

Allein steht der Eremit auf der Karte des Waite – Tarots. Er erhellt sein unmittelbares Umfeld. Er steht dabei auf einer Anhöhe, einem Hügel oder Berg, die Laterne oben haltend. Er steht ganz ruhig, als warte er. In dieser Haltung kann er, zumindest das Licht, welches er ausstrahlt, auch aus der Ferne erkannt werden. Sein Licht kann somit auch ein Licht für Suchende sein.

Er bewegt sich nicht, er strebt ihnen nicht entgegen. Der Eremit steht einfach nur da und macht mit dem Licht ein Angebot. Er zeigt, wo er zu finden ist.

So kann die Karte sagen; Warte nicht, bis ein Lehrer, eine Lehrende zu dir kommt, sondern schaue dich um und finde das Licht, dort wirst du spirituelle Führung finden. Fern ab der hektischen Welt, steht der Eremit auf einem Hügel, bereit dich zu empfangen.

Oder aber du selbst bist dazu auserkoren, anderen Menschen den spirituellen Pfad zu zeigen – so suche deine Schüler:innen nicht, sondern sei einfach nur bereit, wenn sie mit Fragen zu dir kommen.

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Der Eremit im Crowley Thoth-Tarot

Crowley selbst sagt:

Er steht für den Schöpfer des Lebens.

Große Worte! Im Zentrum des Lichtes des Crowley Eremiten leuchtet die Sonne.

Das Ei, das von den Windungen einer Schlange umgeben ist, stellt das Universum dar, während die Schlange für die fluidische Essenz des Lichtes steht, welches das Leben des Universums ist.

Sein Schlangenstab, so Crowley, ist der Stab des Merkurs, „des Führers der Seelen durch die unteren Regionen.

Der hebräische Buchstabe Yod (auch Jod) stellt abstrakt betrachtet eine Hand dar und im Mittelpunkt der Tarotkarte ist die Hand des Eremiten abgebildet, welche die Laterne hält. Crowley betont, das Yod ein Buchstabe ist, „dem alle anderen Buchstaben des hebräischen Alphabets zugrunde liegen.

Der Eremit-Crowley-TarotDer alte Mann trägt weiß-graues langes Haar und einen Bart, was für eine tiefe Weisheit spricht, Seine Haltung ist gebückt, was wiederum eine gewisse Demut zum Ausdruck bringt, sowie den Wunsch, für sich selbst zu sein erkennen lässt. Der rote Umhang verkörpert seinen Mut, sich diesem Weg zu stellen. Die Laterne ist als leuchtender Diamant abgebildet, aus welchem das Licht der Erkenntnis erstrahlt.

Kerberos (auch Zerberus), unten rechts abgebildet, ist der dreiköpfige Höllenhund. Er folgt dem Eremiten wie ein Schatten, wobei ein Blick in das Vergangene geht, die anderen beiden Köpfe schauen in die Zukunft. Dieser Höllenhund ist nicht irgendein Schatten, er ist das Schattenwesen des Eremiten selbst, welches tief in seine eigene Persönlichkeit integriert ist.

Das den Eremiten umgebende Weizenfeld ist sein Bezug zur Natur, vor allem aber zu ihrem nährenden Aspekt, der sich gewiss nicht allein auf den Vorgang des Essens bezieht. Die Strahlenpyramide(n) symbolisiert den Weg der Erleuchtung und die Kraft der Visionen.

Wie sein Zahlenwert, die Neun, verkörpert der Eremit das Prinzip der Vollendung. Die Karte ist Wegweiser und Führer – die Kompassnadel weist auf einen Weg neuer Lebenserfahrung(en).

Im Crowley Tarot scheint die Laterne eher für den eigenen Weg zu leuchten. Er hält sie nicht empor und er steht auch nicht still. Er muss seinen Weg alleine gehen – hier können wir noch einmal auf Kerberos, den Höllenhund schauen. Er bewacht die Unterwelt und sorgt dafür, dass kein Lebender hinein und kein Toter hinaustreten kann. Der Weg, der Prozess, den der Eremit hier durchläuft, muss erst beendet sein, ehe ihm Einlass in die neue Dimension gewährt wird. Hat er diese Stufe aber erst einmal erreicht, so gibt es auch kein Zurück. Es ist nicht die Zeit, um etwas Neues zu beginnen, es ist an der Zeit, etwas zu Ende zu bringen.

Wir müssen unseren eigenen Schatten, unseren Kerberos reflektieren, um „ganz“ zu werden, um alle unsere Anteile bewusst anzunehmen.

So ist der Eremit ein Übergang, eine Initiation. Ein Suchender auf dem Weg zur Vollendung. Wir tragen das Licht, wir können durch die eigenen Schatten gehen, dem Kerberos in seinen Höllenschlund schauen und als Lohn den Reichtum unserer inneren Welt erkennen.

Es gilt also, nicht mehr mit dem Strom zu schwimmen, aber auch nicht, sich ihm entgegen zu stellen. Wir dürfen uns einfach dem Fluss des Lebens hingeben. Die „Gefahr“ besteht nicht selten darin, dass wir in der Herden-Mentalität der Gesellschaft zu Außenseitern werden und uns einige Menschen in Zukunft ausgrenzen. Nicht selten aber entfernen wir uns ganz von selbst von all jenen, denen wir zu anders sind.

Der Eremit möchte also alles aufarbeiten, insbesondere auch die Schatten. Der Kerberos führt zum orphischen, von der Schlange umwundenen Ei – der Erkenntnis. Er lernt, mit sich selbst zurecht zu kommen – tritt heraus aus dem Mangel, andere Menschen zu brauchen, um sich komplett zu fühlen. Der Eremit ist sich selbst genug und somit ist sein Pfad auch ein Weg, der zur Selbstliebe führt. Es ist ein Prozess der inneren Heilung, in welchem wir lernen, der inneren Stimme zu folgen. Ein Weg der achtsamen Besinnung, welcher uns Erkenntnis schenkt.

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Die neunte Station der Narrenreise

Auf seiner Reise durch die Lebensstationen des Tarots hört der Narr das Flüstern seiner inneren Stimme. Je stiller er wird, je mehr er seine Zeit dem eigenen Inneren schenkt, desto besser kann er diese Stimme verstehen und sich von ihr führen lassen.

Es ist an der Zeit, erlernte Glaubenssätze zu durchleuchten – Sind das wirklich meine? Glaube ich, was ich denke.

So einige Stationen hat der Narr gemeistert, aber nun betritt er einen Pfad, der ihn wirklich lehren kann, sich selbst zu sehen. (S)ein Weg ist die tiefe Kontemplation, das tiefe Versinken in der eigenen Stille.


Quellen:

¹Walker, Barbara G. (1994), Die Geheimnisse des Tarot – Mythen, Geschichte und Symbolik: Sonderausgabe. Gondrom Verlag.

Crowley, Aleister (2019), Toth Tarot: Originalausgabe (2. Aufl.).Krummwisch AGM-Urania.

Waite, Arthur Edward (01. Januar 1978), Der Bilderschlüssel zum Tarot: Erste Auflage, Urania.

Angeles Arrien (2001), Handbuch Crowley Tarot: Praxisbezogene Anleitung zur Interpretation des Aleister Crowley Tarots (4. Aufl.).Neuhausen/Schweiz Urania Verlags AG. [online: http://rkspiele.de/wordpress/wp-content/uploads/2015/04/Tarot-Hanbuch.pdf. [Stand 14.05.2021]]

docplayer.org: Gerd Ziegler. Tarot: Spiegel der Seele. Handbuch zum Crowley-Tarot. (Stand unbekannt). http://docplayer.org/12116343-Gerd-ziegler-tarot-spiegel-der-seele-handbuch-zum-crowley-tarot.html. [14.05.2021]