Yggdrasil ist in uralten und neuen Liedern besungen.

„Ask veit ek standa,
heitir Yggdrasils,
hár baðmr, ausinn
hvíta auri;
þaðan koma döggvar,
þærs í dala falla,
stendr æ yfir grænn
Urðarbrunni.“

„Eine Esche weiß ich, heißt Yggdrasil,

Den hohen Baum netzt weißer Nebel;

Davon kommt der Thau, der in die Thäler fällt.

Immergrün steht er über Urds Brunnen.“

So steht es in der älteren Edda, auch Lieder-Edda genannt, geschrieben. Das Zitat findest du in der Völuspá, im Vers 19.

Die Völuspá, die Weissagungen der Seherin, ist das bedeutendste Gedicht über die nordische Mythologie. Sie berichtet von der Entstehung und dem Ende der Welt und alledem, was dazwischen lag.

Die Liedertexte erzählen allesamt Geschichten der nordischen Mythologie. So auch die Geschichte Yggdrasils, dem Weltenbaum.

Symbol der Esche als Weltenbaum

Yggdrasil, der erste Baum, der je wuchs

Drei der Götter schufen das erste Menschenpaar,  Ask und Embla, welche sie am Strand des Meeres fanden. Zu diesem Zeitpunkt waren Ask und Embla noch aus anderem Stoff, welcher genau wird nicht erzählt. Da Aska aber Esche bedeutet, liegt es nahe, dass zumindest er aus Holz gebaut war.

Von Embla wird vermutet, dass sie aus dem Holz einer Ulme (altnordisch: Elmla) sei. Jedoch ist auch das Wort Embla selbst im altnordischen Sprachgebrauch verankert und zwar als Schlingpflanze. Belegt ist aber weder Ask als Esche und noch weniger Embla als Ulme.

Das Wasser des Meeres, welche sie anspülte, ist das Blut des Riesen Ymirs. Die Götter erschufen aus seinem Körper die Welt. Ich erzähle noch von ihm.

Odin hauchte den Beiden das öndden Atem und somit das Leben ein. Der Gott Hönir schenkte ihnen òðr – die Seele.¹ Der dritte Gott Lodur (vermutlich Loki) verleiht den Beiden ihre körperlichen Merkmale des Menschsein: – das Blut, lito gòða – die gute Farbe (das lebendige Aussehen) und er formte die Zwei so, dass sie wie die Götter selbst aussahen.

Sie lebten im künftigen Midgard.

Ask und Embla machten schnell große Fortschritte, sie liebten einander. Schon bald entwickelte sich eine prächtige Familie, mit jeder Menge neuer Menschenkinder.

Neben der Zeugung vieler Kinder war es ihre Aufgabe für das Wohl aller Pflanzen und Tiere zu sorgen. Doch die beiden Menschenkinder waren nicht alleine in Midgard.

Erstens

Die Riesen

Unter den Menschen lebten zu dieser Zeit auch die  Riesen. Es war nach Ymir eine neue, eine zweite Generation der Riesen.

Birgelmir und seine Frau, der Urvater und die Urmutter dieser neuen Generation, sorgten ihrerseits fleißig für Nachwuchs.

Zweitens

Die Zwerge und Alben

Die  Zwerge  lebten ebenfalls bei den Menschen. Wie sie entstammen sie dem Riesen-Blut des Meeres, waren jedoch als Zweites nicht aus Holz erschaffen, sondern aus Stein. Sie waren in allen Gebirgen Midgards beheimatet und ließen ihren eigenen Stamm schnell größer und stärker werden. Sie waren gut Freund mit den Menschen und den Riesen, aber besonders die  Alben  hatten es ihnen angetan. Nicht selten wurden Ehen zwischen Zwergen und Alben geschlossen.

Drittens

Die Asen und die Wanen

Das größte Göttergeschlecht, die  Asen, brachte zahlreichen Nachwuchs aus den eigenen Reihen hervor, verbündeten sich aber auch mit dem anderen Göttergeschlecht, den Wanen. Die Wanen sind zwar das kleinere, aber dafür ältere Göttergeschlecht. Während die Asen eher die Krieger und Herrscher repräsentierten, waren die Wanen alte Gottheiten der Natur und der Erde.

Aber auch die Riesen, vor allem die weiblichen unter ihnen, hatten häufig ein Techtelmechtel mit den Göttern, mit zahlreichem Nachwuchs.

Odin und die Schlange Midgards

Einer der Götter, vom Geschlecht der Asen, sticht ganz besonders hervor, der große Odin.

Reisen wir weiter zurück, hinein in eine Zeit, als der Kosmos noch Chaos war. Die Götter Odin, Vé und Vili bezwangen in dieser Zeit des Chaos den Urriesen Ymir und somit auch dessen zerstörerischen Kräfte. Aus seinem Körper schufen sie die Welt Midgard, auf der nun Ask, Embla, die Riesen, Zwerge, Alben und Götter lebten.

Vom Tod des Riesen Ymir

Lange bevor der Riese Birgelmir und seine Frau das neue Riesengeschlecht erschufen, existierte ein anderes, uraltes Geschlecht der Riesen, dessen Urvater Ymir war. Ymir allerdings war ein äußerst boshafter Riese. Die Götter Odin, Vé und Vili töteten ihn nicht ohne Grund, als sie die Welt aus ihm erschufen.

Ymirs Fleisch wandelte sich in Erde, sein Blut erschuf die Meere, seine Knochen wurden zu den Felsen und Gebirgen, aus seinen Augenbrauen entstand Midgard, aus seinem Schädel der Himmel, aus seinem Gehirn die Wolken, aus seinem Haar wuchsen Bäume empor.

Einer dieser Bäume, eine Esche, wuchs höher und schneller als alle anderen. Ihre Krone reichte weit in den Himmel hinein, so weit, dass das Blätterdach von Midgard aus nicht mehr zu sehen war. Ihre drei mächtigen Wurzeln reichten tiefer in das Erdreich, als unser Verstand es begreifen kann.

Ihr Name war Yggdrasil.

Sie galt von nun an als der Weltenbaum, als der Mittelpunkt aller Sphären des nordischen Kosmos.

Soweit klingen die Lieder der alten Edda.

In der neuen Edda, der Snorra-Edda wird Yggdrasil weiter ausgeschmückt. So findet sich zum Beispiel an jeder der drei Wurzeln ein Brunnen. Aber alles zu seiner Zeit.

Symbol der Esche als Weltenbaum

Die erste Ebene Yggdrasils

Kehren wir zurück und schauen, wie es Ask und Embla und all deren Kinder erging.

In den Anfängen herrschten Eintracht und Frieden zwischen den Menschen, den Riesen, den Zwergen und den Alben und auch zwischen den Göttergeschlechtern der Asen und der Wanen.

Sie alle lebten in Midgard und vermehrten sich fleißig weiter und so kam es mit der Zeit, wie es kommen musste. Es wurde zu eng. Zu viele Wesen lebten auf einem zu kleinen Raum miteinander. Dies führte immer häufiger zu Streitereien. Es gab einfach nicht genügend Raum für alle Wesen in Midgard.

Immer öfter feindeten sich die doch sehr verschiedenen Bewohner untereinander an und schon bald forderte jede Art ihr eigenes Reich. Vor allem die Riesen wurden stetig streitlustiger und forderten die Menschen immer wieder heraus. Sie schikanierten sie nur zu gerne und es bereitete ihnen einen höllischen Spaß, sie in Angst und Schrecken zu versetzen.

Odin, ganz verzaubert von seiner eigenen Schöpfung der Menschheit, konnte dies nicht länger mit ansehen. Er hatte noch etwas von den Augenbrauen Ymirs übrig. Mit ihnen schuf er einen in sich geschlossenen Schutzwall aus Flüssen und Wäldern rund um Midgard.

Hinter dem Schutzwall floss das Meer, das Midgard vollständig umrundete. Und außerhalb dieses Meeres erschuf Odin Jötunheim, das Reich, in dem ab sofort die Riesen lebten. Utgardloki, der Anführer der Riesen, bekam seinerseits noch eine ganz eigene Region: Utgard – vermutlich aus rein diplomatischen Gründen.

Das schon zu Urzeiten erschaffene Muspelheim ging in all dem Durcheinander fast unter. Muspelheim, das Feuerland, war das Reich der Feuerriesen, in welchem Surt über sein Volk herrschte. Die Feuerriesen waren eine recht eigene Art. Sie interessierten sich weder für die Belange der Menschen, noch für die der Götter. Daher verlor Odin sie fast aus dem Blick, aber eben nur fast. Er handelte kurzentschlossen und setzte auch dieses Reich außerhalb des Ozeans.

Odin hatte die erste Ebene Yggdrasils geschaffen.

  • Midgard – das Reich der Menschen
  • Jötunheim nebst der Herrschaftsresidenz Utgard – das Reich der Riesen
  • Muspelheim – das Reich der Feuerriesen

Symbol der Esche als Weltenbaum

Die tiefste Ebene Yggdrasils – Die Unterwelt

Yggdrasil wuchs und wuchs. Die Ausmaße der Esche waren gigantisch. Drei riesige Wurzeln bildeten den Halt des Weltenbaumes.

Von Niflheim zu Helheim

Ehe die drei Wurzeln in der Untiefe verschwanden, ergriffen sie Niflheim und zogen es für alle Zeit mit in die Tiefe. Niflheim, gelegen an dem Punkt wo die drei Wurzeln sich kreuzten, ist das Land des reinen Eises, des Nebels und der tiefsten Finsternis mit gelegentlichen Polarnächten.

Einst ein eigenes Reich, wurde Niflheim später in das Totenreich Helheim integriert. Herrscherin über dieses Reich war die Göttin Hel. Sie ist eine teils furchterregende, teils aber auch schöne Gestalt. Zur einen Hälfte ist sie schwarz wie die tiefste Nacht und zur anderen Hälfte göttlicher Gestalt.

Wie seine herrschende Göttin ist auch Helheim ein zweigeteiltes Totenreich. Es ist ein finsterer Ort, in dem alle landeten, die zwar gestorben, aber nicht im Kampf gefallen waren. Die tapferen, gefallenen Krieger gehörten Odin und Freyja.

Die Menschen mit einem gutem Herzen endeten in einem harmloseren Teil des Reiches, wobei diese Vorstellung aber auch einem christlich geprägtem Wunschdenken der Schreiberlinge entsprungen sein kann.

Die schlechten Menschen waren zur grausamen Finsternis verdammt. Das Reich Helheim war vollständig von Gittern umgeben. Der Saal Helheims wurde Elend genannt, der Hunger war Helheims Schlüssel und ihr Messer war die Gier. Der Knecht dieses Reiches hieß Träg, die Magd Langsam, die Schwelle ward Einsturz genannt, das Bett die Kümmernis und ihr Vorhang drohendes Unheil.

Die Göttin Hel und ihre Geschwister

Angrboda und ihre Brut: Hel, Fenrir und Jörmungand. (Emil Doepler, 1905)

Der Vater der Göttin Hel ist der gerissene Gott Loki. Ihre Mutter ist die Riesin Angrboda. Hel ist nicht die einzige Brut aus der Vereinigung von Loki und Angrboda. Sie zeugten auch Fenrir, den Riesenwolf und Jörmungandr, die Midgardschlange.

Wie schon erwähnt ist dieser Teil der alten Geschichte um Yggdrasil vermutlich stark christlich eingefärbt. So wurde der Name Hel in Erzählungen des Mittelalters auch immer wieder eng mit der christlichen Bezeichnung einer Hölle verknüpft.

Wie dem auch sei, in Helheim gab es Leichen, die nicht einmal für das Totenreich gut genug waren. Sie nährten den schlangenartigen Drachen Nidhöggr.

Dieses hasserfüllte Wesen fraß aber nicht nur vom Fleisch der Leichen, auch von den Wurzeln Yggdrasils konnte er nicht lassen. Er wünschte sich wohl nichts so sehr wie den Untergang des Weltenbaumes.

erstens-eins

Der Urdbrunnen

Nidhöggr fraß unaufhörlich an seinem Wurzelwerk und konnte Yggdrasil doch nicht zu Fall bringen, denn die drei Nornen, an der Quelle des Schicksals, dem Urdbrunnen, unter einer der drei Wurzeln des Weltenbaumes, heilten stetig die Wunden Yggdrasils und gaben dem Baume unermüdlich von dem heiligen Wasser der drei Quellen zu trinken. Sie sind es auch, die die Fäden des Schicksals aller Wesen weben.

Um das Wesen der Nornen greifbar zu machen, haben wir Menschen sie quasi in drei Bereiche eingeteilt.

Urd ist die Norne der Vergangenheit.

Werdandi ist die Norne der Gegenwart.

Skuld ist die Norne der Zukunft.

das Schicksal – das Sein – das Werden

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Hvergelmir

Unter der Wurzel Niflheims findet sich eine weitere Quelle, Hvergelmir, der brausende Kessel. Sie ist voller Gift und doch spendet sie der Göttin Hel ein wenig Wärme in ihrem doch sonst so eiskaltem Reich. Hvergelmir speist alle Flüsse der Welt mit ihrem Wasser und ist die Heimat des dir bereits bekannten Schlangen-Drachens Nidhöggr.

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Mimirs Brunnen

Die dritte Quelle ist der Mimirsbrunnen, der Brunnen der Weisheit.

Der Hüter dieser Quelle ist Mimir. Mit seinem Horn schöpft er das Wasser und trinkt daraus. Mimir ist der Weiseste aller Weisen und ein enger Berater Odins.  Als Ragnarök, der Untergang der Welt naht, ist es Mimir, der Odin mit seiner Klugheit zur Seite steht.

Yggdrasil der Weltenbaum

Schwarzalbenheim

Die Zwerge und die Dunkelalben lebten fortan in Steinhöhlen und Erdtunneln in der Region Nidavellir, ein Stück über Niflheim. Es funktionierte jedoch nicht. Die Zwerge wollten mit den Dunkelalben einfach nichts zu tun haben und ein neues Reich etwas oberhalb von Nidavelllir wurde geschaffen: Schwarzalbenheim. Dort lebten fortan die Dunkelalben,  welche auch Schwarzalben genannt werden. Die Zwerge selbst blieben in Nidavellir.

Das Reich der Unterwelt war geschaffen.

Symbol der Esche als Weltenbaum

Die Oberwelt Yggdrasils

Fast alle Wesen hatten ihren Platz im Weltenbaum Yggdrasils gefunden. Nur die Göttergeschlechter der Asen und der Wanen und auch die Lichtalben hatten noch keine neue Wohnstätte.

Odin weilte gerne in Midgard und beobachtete die Menschen, die dort lebten. Vielleicht wäre er insgeheim am liebsten einfach unter ihnen geblieben. Sein Wyrd aber, sein Schicksal, war für einen anderen Weg bestimmt. So brauchte er sein eigenes Reich, von dem aus er schalten und walten konnte. Das er dieses Reich nicht in der Dunkelheit der Unterwelt erschaffen wollte, versteht sich von selbst.

Asgard

Odin zog mit allen Gottheiten der Asen und Wanen in die Krone des Baumes und schuf das sagenumwobene Asgard.

In vielen Liedern wird die Halle der toten Krieger – Walhall – besungen. Die tapfersten Krieger, die in einer Schlacht fielen, wurden von Odin auserkoren. Teils, so heiß es,  hat er sie auch eigens töten lassen. Letzte Ruhestätte wäre wohl eine unpassende Bezeichnung für Walhall, denn Ruhe findet dort gewiss niemand so recht. Die Krieger bereiten sich auf ihren letzten Kampf vor, der Schlacht an Ragnarök. Sie alle sind bereit, an Odins Seite zu kämpfen, wenn das Ende der Welt naht. In diesem Kampf fallen sie ein zweites und letztes Mal.

Walhall befand sich in Odins Burg Gladsheim, der größten Burg Asgards. Das Dach der Halle bestand aus auf Speeren ruhenden Schilden. Aus ihr heraus führten über 500 Tore. Durch ein jedes Tor konnten 800 Krieger nebeneinander hinaus marschieren.

Wanenheim

In Asgard lebten viele Götter und ein jeder Gott hatte seinen eigenen Palast. Jeder Palast wiederum war umgeben von immergrünen Wäldern und Wiesen. Das Land war fruchtbar und alle Pflanzen gediehen prächtig. Es kam also auch dort, wie es zu erwarten war. Mit der Zeit wurde es wieder zu voll. Die Asen und die Wanen gerieten in Streit und so blieb Odin nichts anderes übrig, als einen dicken Schutzwall um Asgard zu ziehen und außerhalb der Mauern Wanenheim zu erschaffen, das neue Reich des alten Göttergeschlechts.

Albenheim

Die Wanen waren schon immer eng mit den Lichtalben verbunden und nahmen diese seit jeher schützend unter ihre Fittiche. Unterhalb von Asgard und Wanenheim schufen sie den Lichtalben ein eigenes Reich: Albenheim.

Die Lichtalben sind die Beschützer der Natur, die Wächter über die Flora und die Fauna. In ihrem neuen Reich hatten sie von nun an einen guten Überblick über jede Pflanze und jedes Tier.

Symbol der Esche als Weltenbaum

… Yggdrasil ward erschaffen, doch etwas fehlte noch
Heimdall - Bifröst

Es fehlte eine sichere Verbindung zwischen Odins Reich Asgard und seiner geliebten Menschenwelt Midgard.

So nahm Odin drei Feuerstränge und flocht daraus Bifröst, die Regenbogenbrücke. Sie führte direkt von seiner göttlichen Königsburg in die Welt der Menschen.

Heimdall, ein Gott aus dem Geschlecht der Asen, wurde zum Wächter bestimmt. Niemand sollte die Brücke je überqueren können, der dort nichts zu suchen hatte.

Heimdall ist im Besitz des mächtigen Schwertes Höfud und er besitzt auch das Gjallarhorn, das schallende Horn. In dieses blies er, als Ragnarök, der Untergang der Götter, begann.

Die wichtigsten Tiere Yggdrasils

Ich erzählte euch von Nidhöggr, dem schlangenartigen Drachen und Fenrir, dem Riesenwolf. Ich erzählte von den Zwergen, den Alben, den Riesen, den Asen, den Wanen und den Menschen.

Nur erzählte ich euch nichts von dem allwissenden Adler ohne Namen, der in den Ästen des schützenden Blätterdaches seinen Nistplatz hat. Erwähnte nicht den Habicht Vedrfölnir, der zwischen des Adlers Augen lebt und allsehend ist. 

Ich sprach nicht über Ratatöskr, dem Eichhörnchen. Ein arg geschwätziges Tierchen, welches ständig zwischen der Ober- und Unterwelt Yggdrasils hin und her flitzte. Auf diese Art brachte er die Beleidigungen von Hraesvelgr dem Adler, der mit seinen Schwingen den Wind entfacht, zum schlangenartigen Drachen Nidhöggr und umgekehrt. Der Adler und der Drache, ihr ahnt es schon, konnten sich auf den Tod nicht ausstehen.

Du kennst auch noch nicht Goinn und Moinn, zwei bösartige Schlangen unter den Wurzeln Yggdrasils, welche dem nicht minder boshaften Nidhöggr fleißig beim Abnagen der Wurzeln halfen. Ich sprach auch nicht von den vier Hirschen Dain, Dwalin, Dunneir und Durathror, die im seitlichen Geäst Yggdrasils lebten.

Erwähnte selbst Hugin und Munin nicht, die zwei Raben und ständigen Begleiter Odins. Jeden Tag schickte Odin Hugin und Munin nach Midgard und lies sich von ihnen das Neueste aus dem Reich der Menschen berichten. Sie sind die Erinnerung und der Gedanke.

Für heute genug

So viele zauberhafte Geschichten gibt es noch über Yggdrasil zu berichten, doch soll dies an einem anderen Tag, an einem anderen Ort geschehen. Für heute genug der Worte.

Mit Ragnarök, dem Kampf der Götter und Riesen, welcher ganze drei Jahre währte, ist die Welt Odins untergegangen und mit ihr auch Yggdrasil, der Weltenbaum. Doch auch von dieser Geschichte soll ein anderes Mal erzählt werden. Nur eines vorweg: Es steht geschrieben, dass die Welt neu erschaffen wird. Dieser Tage erinnern sich viele Menschen wieder an die alten Geschichten Odins und Yggdrasils und es ist, als würde sich der Weltenbaum aufs Neue erheben, größer und stärker als je zuvor.

 


¹Übersetzt bedeutet „óðr“ soviel wie „Wut, Raserei“, aber auch „Dichtung“. In der damaligen Zeit herrschte eine sehr tantrische Sichtweise gegenüber der Wut, sie schloss klar den Zustand der Ekstase mit ein, so dass die Forscher annehmen, das óðr für die beiden Menschenwesen sei eher mit Geist oder Seele zu übersetzen.