Du möchtest einen Artikel über die Alraune lesen und hast deine Ohrstöpsel noch nicht eingelegt? Nun, du wirst ja wissen, was du tust. Nicht wahr?
„Der Schrei der Alraune ist tödlich für jeden, der ihn hört“
Das sagt Hermine Granger und wie dir bekannt sein sollte, sie irrt sich nur äußerst selten.
Im Jahr 1912 starb die Zaubereiministerin Venusia Crickerly bei einem sehr mysteriösen Unfall im Garten mit einer Alraune. Harry Potter und seine Freunde lernten die Macht der Alraune im zweiten Hogwarts Schuljahr kennen, als die Kammer des Schreckens geöffnet wurde. Mit einem Wiederbelebungstrank konnten jedoch alle Versteinerten zurück verwandelt werden. Für diesen Trank brauchten sie die Alraune.
Die Alraune war auch eine nützliche Waffe gegen die Todesser, als diese die Schule angriffen. In der Schlacht warfen Professor Sprout, Neville Longbottom und andere Schüler die Wurzeln über die Zinnen des Schlosses, um gegen die Todesser anzukämpfen.
Das Problem: Immer wenn eine Alraunenwurzel ausgegraben wird, beginnt sie fürchterlich zu schreien. Der Schrei einer erwachsenen Alraune kann dich töten. Ist die Pflanze noch ein Baby oder zumindest jünger, so wirst du nur für ein paar Stunden bewusstlos sein. Glück gehabt!
Die Alraune ist dank Harry Potter vermutlich die bekannteste Zauberpflanze der Welt, eine richtige Berühmtheit sozusagen. Erklären wir doch einmal den Muggels warum das so ist. Natürlich sollten auch all jene Magier unter euch weiterlesen, die in Kräuterkunde nicht aufgepasst haben.
„Die klügsten Waldgeister sind die Alräunchen,
Langbärtige Männlein mit kurzen Beinchen,
Ein fingerlanges Greisengeschlecht,
Woher sie stammen, man weiß es nicht recht.“
Heinrich Heine
Die Alraune, Zauberpflanze
Sie ist seit der Antike als eine der mächtigsten Zauberpflanzen bekannt. Unsere Altvorderen konnten sich einst viele Phänomene der Natur nur anhand von Geschichten erklären, aus denen die uns heute bekannten Mythen geboren wurden.
Was geschah beispielsweise bei einer Sonnenfinsternis? Unsere Altvorderen erzählten es uns. Es rast die Sonnengöttin Skól / Sunna mit ihrem Sonnenwagen am Himmel entlang, stets verfolgt vom schrecklichen Wolf Skalli (Skoll). Der Bruder Hati jagt den Mond. Zur Sonnenfinsternis gelingt es dem Wolf, die Sonne zu verschlingen, welche jedoch – Odin sei Dank – neu geboren wird.
Um solch Unheil abzuwenden oder andere Zauber zu wirken, waren unsere Vorfahren von ganz bestimmten Pflanzen besonders fasziniert. Vor allem, wenn die Pflanzen von der Norm abwichen und eine starke Eigenart inne hatten, wie die Mistel beispielsweise, die bekanntlich in den Bäumen wächst.
So faszinierte sie natürlich auch die Alraune, deren Wurzel wie der Körper eines Menschen geformt ist. Sie erscheint wie ein Erdgnom, ein Wesen aus dem Reich der Zwerge, voller Mystik und Zauber. Wie kann sie da nicht magisch sein?
Ihr wohlklingender lateinischer Name lautet Mandragora officinarum L. var. officinarum. Daneben gibt es die:
- Mandragora officinarum L. var. haussknechtii,
- Mandragora officinarum L. hybrida,
- Mandragora officinarum L. var autumnalis
- Mandragora officinarum L. var vernalis,
Die (ich kürze es mal ab) Mandragora vernalis blüht sehr früh im Jahr und wird deshalb Frühlingsalraune genannt. Sie ist auch als weibliche Alraune bekannt. Die Mandragora autumnalis, die Herbstalraune, wird auch männliche Alraune genannt.
Ich liebe diesen Klang man-dra … go-ra. Herrlich.
Pythagoras nannte die Alraune aufgrund der eigentümlich Form der Wurzel Anthropomorphos – Menschenpflanze. Ist die Pflanze jung, schaut auch die Wurzel eher wie ein Baby aus. Mit zunehmenden Alter jedoch, altert auch das Wesen in der Wurzel. Ziemlich faszinierend, nicht wahr?
Die ursprüngliche Heimat der Alraune liegt im östlichen Mittelmeerraum, von wo aus sie sich alsbald in ganz Europa und sogar bis nach Ägypten einen Namen als Zauberpflanze machte. Die Alraune ist auf Wänden von Grabmälern in Ägypten dargestellt, die über 3000 Jahre alt sind.
Im neu-arabischen Raum hat sie den weniger liebreizenden Namen Tufah al-jinn – Apfel des Dämon-, während sie im Altarabischen noch Abu’l-ruh hieß, Meister des Lebensatems.
Einige weitere Synonyme sind: Alruneken, Arun, Dollwurz, Erdmännlein, Folterknechtwurzel, Galgenmännchen, Hausväterchen, Henkerswurzel, lraun, Oraunl, Springwurz, Uraundl, Wurzelknecht, Zauberwurzel.
Die Pflanze selbst ist ein Nachtschattengewächs, wie beispielsweise die Belladonna – die Tollkirsche, der Stechapfel oder auch das Schwarze Bilsenkraut. Wie diese Gefährtinnen gehört die Mandragora zu den psychedelischen Pflanzen, wird aber heute kaum noch als psychedelische Droge gebraucht. In der alten Zeit allerdings war die Alraune als Hypnotikum sehr geschätzt.
So schrieb Dioscorides:
„… und wenn etwas an einem Menschen zu schneiden und zu brennen ist, damit man solches nit empfinde …“ [wird der Patient vor einer Operation mit einem Trank der Alraune versorgt] „… denn sie fallen dadurch in einen Schlaf, welcher ihnen alle Empfindsamkeiten benimmt.“
In der Mitte des 15. Jahrhundert waren hierzulande sogenannte Schlafschwämme – spongia somnifera – im Einsatz, die auch mit dem Saft der Alraune getränkt waren. Diese dienten als Narkotikum während einer Operation. Diese Schwämme hielten sie einst den Patienten vor die Nase, damit sie die Dämpfe einatmeten, und so einschliefen. Es wird vermutet, dass dies nicht sonderlich gut funktionierte, da es kaum korrekt zu dosieren sei. Die Römer machten es sich leichter und ließen ihre Patienten direkt auf der Wurzel herumkauen.
Einst war die Alraune jedoch nicht nur ein Narkotikum, sie war auch als Aphrodisiakum beliebt. Heute findet die Alraune kaum medizinische Anwendung. In der Homöopathie wird sie bei Gicht und Rheuma als schmerzstillendes Mittel eingesetzt.
Mythos und Magie der Alraune
Sie ist die Königin aller Zauberkräuter. Kaum eine andere Pflanze hat die Schriftgelehrten so sehr inspiriert, über sie zu schreiben. So liegen zur Alraune zahlreiche alte Schriften vor. Die ältesten Aufzeichnungen finden sich bisher auf den Keilschrifttafeln der Assyrer und auch im Alten Testament. Diese Schriften beziehen sich auf das alte Babylon.
In einer mesopotamischen Keilschrift taucht des Öfteren ein Wein namens „Rindsauge“ auf, der mit der Alraune gemischt gewesen sein soll. Die Drogenkraft der Pflanze sorgte für die Erweiterung der Pupille, was wohl den Namen des Weines erklären dürfte.
Immer wieder tauchen Berichte auf, in denen Menschen behaupten, sie hätten bei der Alraune ein Leuchten wahrgenommen. Die kleinen Früchte schienen zu glühen, aber verglimmten um so mehr, je näher sie der Pflanze kamen, bis das Licht ganz erloschen war.
In der Zeit unserer Altvorderen hatte die Mandragora eine unbestrittene Bedeutung als Ritualpflanze, die dem Rausch, aber auch der Heilung diente. Es heißt, der Begriff Alraune kommt vom altgermanischen Alrun/Alaruna, der oder die alle Runen kennt. Die alten Seherinnen, wie Albruna oder auch Weleda – die Völvas, die Seidhkonas – sie alle nutzten wohl bewusstseinserweiternde Substanzen, wie eben auch die Mandragora, zur Hellsicht.
Runa ist das Geheimnis, das verborgene Wissen, die geheime Weisheit. Die Runa – die, die raunt. Der Vorname Runa wird noch heute in verschiedenen Kulturkreisen an die Töchter vergeben. Welches Geheimnis hütet wohl die Alraune?
Je heiliger eine Pflanze unseren Vorfahren war, desto stärker wurde sie hernach im Christentum verteufelt. Ich schätze die Arbeit von Hildegard von Bingen sehr, aber auch sie bildete da keine Ausnahme und spiegelt mit ihren Worten gut die christliche Abscheu vor der Zauberpflanze wieder.
„… Jedoch ist bei diesem Kraut, auch wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Menschen, mehr teuflische Einflüsterung als bei anderen Kräutern dabei und stellt ihm nach. Daher wird auch der Mensch gemäß seinen Wünschen, seien sie gut oder schlecht, durch die Alraune abgetrieben, wie er es einst auch mit den Götzenbildern machte. […] Sie ist schädlich durch vieles Verderbliches der Zauberer und Trugbilder, wie denn auch einst viel Schlimmes mit den Götzenbildern getrieben wurde.“
So steht es in der Physica I der Äbtissin geschrieben.
Die Pflanze wurde ganz klar den Hexenpflanzen zugeordnet und wie die Hexen selbst verteufelt. Bei den Menschen aber ging der alte Glaube nicht vollends verloren, denn auch im Mittelalter war die Mandragora eine beliebte Pflanze für einen Talisman und Glücksbringer. So beliebt, dass viele Fälschungen im Umlauf waren, um die Nachfrage zu decken.
Die Alraune verbindet Himmel und Erde, vermutlich vor allem durch ihre die Hellsicht fördernden Kräfte.
In der griechischen Mythologie ist die Alraune mit Prometheus verbunden. Er brachte den Menschen das Feuer, was Zeus erzürnte. Zur Strafe wurde er an einen Felsen geschmiedet. Täglich besuchte ihn dort ein Adler und hackte ihm Stücke der Leber aus dem Leib, welche ständig nachwuchs. Der Lebersaft, der dabei auf die Erde tropfte, war der Nährboden für die Mandragora.
So wird sie bei den Griechen auch Kraut des Prometheus genannt.
Wo finden wir denn nun aber diese Zauberpflanze?
Leider wächst die Alraune nördlich der Alpen nie wild. Im Süden, vor allem in Griechenland und Italien ist sie ganz natürlich zu Hause. Sie gehört aber eher zu den seltenen Pflanzen.
Da die Mandragora winterfest ist, kann sie theoretisch auch in unseren einheimischen Gärten angepflanzt werden. Sie liebt es trocken und sonnig. Möchtest du es versuchen, so wisse, dass die Pflanze recht zimperlich ist. Wechsle nicht den Standort, das mag sie nicht und es heißt auch, sie geht ein, wenn ihr eine zu laut gespielte Musik nicht gefällt.
Gönne ihr einen großzügigen Topf mit viel Platz nach unten, die Wurzel wird mit der Zeit doch recht groß, bis zu einem Meter. Keime die Samen vorher an, ehe du dann die Keimlinge einsetzt. Sie braucht Muttererde mit etwas Sand vermischt. Gieße sie nicht zu viel, sonst ist sie hinüber, vor allem im Winter, wenn sie ruht. Bedecke sie im Winter gut mit Laub, damit sie nicht erfriert. In etwa vier Jahren kannst du dann die Blüten der Alraune bewundern.
Wundere dich nicht, wenn die Blätter verschwinden, sie treiben gewöhnlich einmal jährlich aus. Reifen die Früchte, so verwelken die Blätter. Die Früchte ähneln der Physalis, schmecken aber eher wie Tomaten. Sie galten einst als giftig und ungenießbar, aber inzwischen ist bekannt, dass der Verzehr bedenkenlos ist. Es ist in ihnen nur verschwindend wenig der Alkaloide enthalten.
Die Blätter der Pflanze riechen leicht nach Tabak, Nachtigall ick hör dir trapsen …
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Wie können wir die Substanzen der Alraune zu uns nehmen?
Die Früchte können gegessen werden, aber nur frisch und nicht mehr als zehn Stück.
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Disclaimer vorweg: Achtung, die Alraune gilt als Giftpflanze und kann bei unsachgemäßer Anwendung schwerwiegende Schäden hervorrufen.
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Ehe die Früchte reif sind, können die Blätter geerntet werden. Kaue sie entweder frisch oder trockne sie, wenn sie später verwendet werden sollen. Sie können wie Tabak pur geraucht werden oder finden ihren Platz in Räuchermischungen. Auch die Wurzel kann geräuchert werden, der Rauch riecht aber unangenehm.
Die Wurzel eignet sich eher für Tinkturen oder zur Aufwertung von Wein oder Bier, beim Bier maximal 50g auf 20 Liter.
Die Wirkung eines solchen Gebräus ist recht stark. Es ist ratsam, nur wenig davon zu konsumieren oder ganz die Finger davon zu lassen. Eine falsche Dosierung kann zu Verwirrtheit führen, bis hin zum Delirium und einer Amnesie. Im schlimmsten Fall führt eine Lähmung der Atmung zum Tod. Kommt es zu Sehstörungen, einer extremen Mundtrockenheit, Hautrötung, einem Anstieg der Herzfrequenz, starken Kopfschmerzen oder auch einer ungewohnten Überaktivität, so rufe besser den Notarzt.
Von Dioskurides ist ein Weinrezept überliefert.
„Zerschneide die Rinde der Wurzel und gib 1/2 Mine [= 8 Unzen, = 226 Gramm], in Leinen gebunden, in 1 Metretes [= 36,4 Liter] Most drei Monata lang, dann gieße den Wein um. Die mittlere Gabe ist 1/2 Kotyle [ = 5 Unzen = 141 Gramm] Es wird getrunken unter Zusatz von doppelt so viel Most. Man sagt, daß 1 Hemine [ = 10 Unzen = 283 Gramm], davon 1 Chus [ = 10 Pfund = 120 Unzen] zugemischt, Schlaf mache und betäube; 1 Becher, mit Xestes [ = 1 Pfund = 8 Unzen ] Wein getrunken, tötet.“
Ein gutes Maß ist nach Christian Rätsch circa 23g der zerkleinerten Wurzel auf eine 0,7 Liter Flasche Retsina. Die Mischung eine Woche ruhen lassen. Es können für einen besseren Geschmack zwei bis drei Zimtstangen und ein Esslöffel Safran hinzugefügt werden. Die zu trinkende Dosis beträgt: 40 bis 60ml, also ein Schnaps- oder Likörglas. Im unten verlinkten Buch finden sich weitere Rezepte, unter anderem für einen aphrodisischen Liebestrank.
Die psychoaktive Wirkung der geräucherten Alraune ist nur leicht spürbar. Sie kann gut mit Olibanum / Weihrauch gemischt werden. Um Kofpschmerzen zu vertreiben nimm ein wenig der Alraunenwurzel und mische diese mit Minze, Beifuss und Nelken.
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Die rituelle Verwendung
Im Altertum wurde die Mandragora vor allem in erotischen Kulthandlungen genutzt. Die Quellenlage ist da leider dürftig, die wichtigste Quelle ist ausgerechnet das Alte Testament, in denen die Liebesäpfel der Pflanze – dûdâ’îm – mehrfach genannt werden. Allerdings lehnen Bibelinterpreten den Bezug zur Alraune strikt ab.
Die Mandragora wird auch im Hohelied als Liebesmittel genannt:
“ … ich werde Liebe machen mit dir,
Die Alraunen verströmen ihren Duft …“
Im alten Griechenland stand bereits das Sammeln der Pflanze unter dem Zeichen der Liebesgöttin. Aphrodite trägt auch den Beinamen Mandragoritis – die (Göttin) der Mandragora. Später wurde dann aus der Alraune der Aphrodite die Alraune der Hekate. Über ihren Zaubergarten heißt es: „Darin wachsen reichlich Mandragoren.“.
Die Alraune ist eine Pflanze der Götter. Die Früchte (Liebesäpfel) sind Heiligtümer der Aphrodite (Astarte, Hathor, …). Die Wurzel ist Hekate geweiht. Zudem ist sie eine phallische Pflanze der Himmels- und Blitzgötter, wie Zeus oder Re.
Die Ernte der Mandragora erfolgt niemals einfach so, sondern ist immer mit einer rituellen Handlung verbunden.
Die alten Griechen wussten natürlich, wie die Pflanze zu ernten sei.
Man soll, so wird gesagt, drei Kreise mit dem Schwert um die Alraune ziehen und sie, mit dem Gesicht nach Westen gewandt, schneiden. Und beim Schneiden des zweiten Stückes soll man um die Pflanze herumtanzen und so viel wie möglich über die Mysterien der Liebe sprechen.
Theophrast, Geschichte der Pflanzen
Im Westen leben nämlich die bösen Geister, so dass mit einem Blick gen Westen das Böse gebannt werden konnte. Auch Flüche wurden Richtung Westen gesprochen. Also immer ein wenig vorsichtig sein, wenn der Wind aus dem Westen weht.
Im ersten Jahrhundert schrieb Flavius Josephus über die Pflanze:
… Will aber jemand sich ihr nahen, um sie auszureißen, so läßt sie sich nur schwer fassen, sie entzieht sich den Händen und kann nicht früher gebannt werden, als bis man Monatsblut oder Urin auf sie gießt. Aber auch dann bedeutet eine unmittelbare Berührung mit der Wurzel den augenblicklichen Tod, es sei denn, man trage sie so in der Hand, daß die Wurzelspitze nach unten schaut. …
Weiter beschreibt er, wie die Pflanze dennoch gefahrlos geerntet werden kann.
… ringsum gräbt man die Erde ab, daß nunmehr ein kleines Stück der Wurzel von der Erde bedeckt bleibt. Dann bindet man einen Hund daran. Wenn nun dieser dem Menschen (…) wieder folgen will, zieht er natürlich die Wurzel ganz leicht aus dem Boden. Aber im gleichem Augenblick stirbt er, gleichsam zur Sühne für den, der in Wahrheit die Pflanze weggenommen hat.
Nun, der Hund ist leider passé, aber die Wurzel kann nun sorgenfrei gegriffen werden. Dieses „Hund anbinden“ findet sich in vielen Schriften, wenn es um giftige Pflanzen geht. Vermutlich dienten sie einst als eine Art Vorkoster. Getreu dem Motto: Überlebt es der Hund …
Flavius Josephus erklärt aber auch, warum sich die Mühe und Gefahr lohnt, denn die Alraune hat eine einzigartige Wirkung. Sie dient quasi dem Exorzismus. Ist ein böser Geist eines Verstorbenen in einen lebenden Menschen gefahren und versucht er diesen zu töten, so wird er allein durch das Annähern an den Kranken mit der Wurzel vertrieben.
In der Magie der Renaissance und auch im neuzeitlichen Okkultismus war die Alraune als Räucherwerk dem Einfluss des Mondes zugeschrieben. In Rumänien wird sie als Liebesmittel zum Vollmond zwischen Ostern und Himmelfahrt geerntet. Dies geschieht durch vier junge Mädchen. Diese pflücken die Alraune und vergraben sie in der Mitte einer Straße. Anschließend tanzen sie nackt und lösen ihr wildes Haar. In der Nähe warten vier junge Männer, um sie zu bewachen. Es heißt, sie singen dabei davon, dass sie noch in diesem Monat heiraten möchten, zumindest im nächsten – Hauptsache sie blieben nicht länger Mädchen.
Es wird auch erzählt, dass die Mädchen sich wie beim Sexualakt aufeinander legten. In das gegrabene Erdloch werden Opfergaben gelegt: Salz, Brot, Wein, … und so weiter. Die Wurzel dient hernach als Talisman.
Die ganze Pflanze wird als Amulett, als magischer Fetisch angesehen, insbesondere aber die Wurzel.
In Mecklenburg wurde die Mandragora unters Kopfkissen gelegt, damit der Schlafende in der Nacht Visionen empfangen konnte.
Versuche es doch auch einmal. Sie sendet dir bestimmt Eingebungen, was sich alles Wunderbares mit ihr anstellen lässt. In Apotheken gibt es eine Urtinktur zu kaufen, aber nur auf Rezept. Da heißt es wohl, selbst anpflanzen und ausgraben – natürlich ganz mutig ohne Hund.
Oder im nächsten Urlaub auf Zypern, Kreta oder Sizilien die Augen offen halten. Es braucht schon ein wenig Glück, denn nur für eine kurze Zeit lässt sie sich mit ihrem Blattwerk überirdisch blicken. Bald darauf schon zieht sie sich wieder ins Erdreich zurück, aber lässt als Geschenk ihre Früchte auf dem Boden zurück.
Hast du Glück und findest eine der Zauberpflanzen, dann kannst du aus ihrer Wurzel einen Talisman schnitzen oder sie auch so belassen. Sie wird dich vor bösem Zauber beschützen. Vermutlich ihrer Herkunft aus dem Erdreich geschuldet, in dem ja auch die Zwerge leben, verdoppelt sie Münzen, die zu ihr gelegt werden.
Einst wurde die Alraune in teure Stoffe gekleidet. Sie bekam ein eigenes Zuhause in einer Kiste, ausgeschlagen mit Samt und Seide. Die Alraune wurde mit dem Tode an die Nachkommen weiter gegeben, vom Vater an den Sohne. Der Sohn legte zum Dank ein Stück Brot oder auch eine Münze in das Grab des Vaters.
Quellen:
- Rätsch, Christian: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Botanik, Ethnopharmakologie und Anwendungen.¹ AT Verlag.
- Rätsch, Christian: Räucherstoffe. Der Atem des Drachen. 72 Pflanzenportraits. Ethnobotanik, Rituale und praktische Anwendungen. AT Verlag.
- Haerhötter, Gerd und Marlene: Hexenfurz und Teufelsdreck. Liebes-, Heil- und Giftkräuter: Hexereien, Rezepte und Geschichten. Eichborn Verlag.
¹hier finden sich die weiteren Rezepte
Es gilt Folgendes zu beachten!
Alle hier aufgeführten Rezepte und Anwendungsmöglichkeiten der Pflanze sind als Beispiele aus der Naturheilkunde gedacht. Sie ersetzen bei gesundheitlichen Beschwerden nicht den Besuch eines Arztes oder ausgebildeten Heilpraktikers. Sie sind keine Anleitung zur Selbstbehandlung, sondern zeigen exemplarisch etwaige Behandlungsmöglichkeiten auf. Entgegen der Empfehlung geschieht eine Anwendung aller hier aufgeführten Rezepturen, homöopathischen Mittel und sonstigen Heilmittel eigenverantwortlich. Interessierte sind aufgefordert, sich selbständig bei einem Arzt, Apotheker oder sonstigen Fachkraft über die genauen Dosierungen und Wirkungsweisen inklusive möglichen Kontraindikationen zu informieren und beraten zu lassen.