Dieses zauberhafte kleine Weihnachtsmärchen ist eine Gemeinschaftsproduktion von Taste of Power und wundervollen Menschen, die unseren Weg begleiten und bereichern.

In unserer Gruppe auf Facebook entstand eine kleine magische Idee: Wir schreiben zusammen eine Weihnachtsgeschichte.

An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich allen Menschen danken, die uns tagtäglich inspirieren, Liebe und Wertschätzung entgegenbringen, unsere Herzen bereichern und unser Leben begleiten.

Mein besonderer Dank gilt: Bea, Brigitte Z. , Brigitte M. , Susanne W. , Miriam, Chriz, Gabriele und Tara. Ihr habt eine wirklich grandiose Geschichte erschaffen, die sicher nicht nur mein Herz erobern wird.

Ich wünsche euch viel Freude mit dem kleinen Noel und seinem Weihnachtsabenteuer:

Weihnachten am Ende des Regenbogens

Ein lautes Poltern und Fluchen riss Noel aus den Schlaf. „So ein Mist“, dröhnte es durch den schmalen Spalt unter seiner Zimmertür. „So ein verflixter Mist. Es hat geschneit!“

Noel flitzte zum Fenster. Tatsächlich es hat geschneit. Der Garten ist unter einem dickem Weiß begraben. Der Schnee glitzert wie ein Meer von Kristallen in der Wintersonne.

Noels Vater stampfte sichtlich genervt durch den Schnee zum Schuppen. Mit dem Schneeschieber bewaffnet tauchte er wieder auf und verschwand laut vor sich hin fluchend um die Ecke.

„Noel! Noel bist du wach? Komm herunter!“, rief seine Mutter die Treppe hinauf.

„Potzblitz“, dachte sich Noel und krabbelte von der Fensterbank. „Heute fahren wir ja zu Oma, heute ist Weihnachten.“

Sein Herz machte einen riesigen Satz in die Höh und fast ebenso schnell sauste Noel zur Zimmertüre, riss sie sperrangelweit auf, rannte zur Treppe, drehte auf dem Absatz wieder um, spurtete zurück in sein Zimmer, zog sich in aller Eile seine Hausschuhe an und verschwand dann so schnell seine Füße ihn tragen konnten hinunter in die Küche.

„Da bist du ja endlich, komm setz dich hin. Iss deine Cornflakes.“

Eigentlich hätte er jetzt lieber seine Stiefel angezogen und wäre hinaus in den Schnee marschiert, aber seine Mama hatte wieder diesen Blick, von dem er wusste, dass jede Widerrede zwecklos war.

Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als sich an den Tisch zu setzen und das Frühstück zu löffeln.

„Es hat geschneit Mama!“

„Hm.“

„Richtig dicke, fette, weiße Flocken.“

„Hm. Jetzt mach mal, iss.“

Noel schob sich einen Löffel voll in den Mund. Seine Mutter schmierte hektisch ein paar Brote, rannte immer wieder zwischen Kühlschrank und Tisch hin und her und warf ab und an einen tadelnden Blick zu ihm herüber, der ihn ermahnte, bloß nicht zu trödeln.

„Wir werden noch zu spät kommen bei all dem Schnee.“ schimpfte sie vor sich hin.

„Aber es ist doch Weihna…“

„Bist du denn immer noch nicht fertig?“

Noel sagte vorerst lieber nichts mehr und versuchte so schnell er nur konnte, sein Essen hinunter zu schlingen.

„Marsch, marsch ins Bad. Putz dir die Zähne und dann ziehe die Sachen an, die ich dir gestern auf den Stuhl gelegt habe!“

Noel ging zur Tür, zögerte jedoch und überlegte es sich anders. Schnurstracks lief er auf seine Mama zu und zupfte unbeholfen an ihrem Pullover.

„Frohe Weihnachten Mama.“

Seiner Mama huschte ein kurzes Lächeln über das Gesicht, sie wuschelte Noel durch die Locken und sagte: „Frohe Weihnachten Noel und nun aber husch husch.“

Noel hüpfte auf einem Bein übermütig aus der Küche. Beim Zähneputzen musste er an seine Oma Auguste denken. Als sie letztes Jahr zu Weihnachten bei ihr waren, hatte er sich furchtbar erschrocken, als der immer mürrische Nachbar der Oma seinem Vater mürrisch verkündete: „Ich gehe jetzt mal die Auguste schlachten.“

Noel war entsetzt. Laut rief er : „Nein, Du kannst doch nicht meine Oma schlachten!“

Die beiden Männer lachten laut, sogar der Grummelkopf. Er sagte: „Deine Oma würde mir wohl eins mit dem Holzscheit geben. Ich rede von eurer Weihnachtsgans, du Dummerchen.“

Noel war wirklich heilfroh, dass es nicht seiner heiß geliebten Oma an den Kragen ging, aber von der Weihnachtsgans rührte er keinen einzigen Bissen an, als sie am Abend auf dem Essenstisch stand.  Traurig dachte er: „Tut mir leid liebe Gans.“

Noel wurde aus seinen Gedanken gerissen. Sein Papa kam völlig außer Atem ins Bad. „Guten Morgen Sportsfreund. Ich dusche noch schnell, dann fahren wir los.“

„Frohe Weihnachten Papa.“, rief Noel beim hinaus laufen.

Keine 30 Minuten später waren sämtliche Koffer im Auto verstaut und ihre Reise begann.

***

Jedes Weihnachten fuhren Noel und seine Eltern zur Oma Auguste. Für Noel ist es die schönste Zeit des Jahres, auch wenn die Fahrt wirklich lange dauert und es immer schon etwas dunkel ist, wenn sie in die Einfahrt des kleinen Häuschens einkehren und Noel ganz aufgeregt seiner wartenden Oma zuwinkt.

Das Auto fuhr über die Autobahn, links und rechts weiß verschneite Wälder. Seine Eltern diskutierten darüber ob der goldene Ring, den sie der Oma schenken wollten nicht ein wenig zu teuer gewesen sei. Noel dachte sich nur, dass sie das mal lieber dem Weihnachtsmann überlassen hätten, vermutlich mag die Oma den Ring nicht einmal wirklich. Jedenfalls hat Noel sie nie einen tragen sehen.

„Dieser ganze Firlefanz stört doch nur, wenn ich meinem Garten buddle.“, hörte Noel sie einst sagen, als Opa noch lebte und sie fragte, warum sie denn ihren Ehering nicht trägt. Ach ja, als Opa noch lebte.

„Mama ich habe Hunger.“, verkündete Noel schnell, um nicht wieder zu weinen und außerdem wollte er den Streit nicht mehr hören. Und doch spürte er , wie er mit den Tränen in seinem Herzen kämpfte, da dieses Weihnachten das erste Mal ohne Opa stattfindet.

Seine Mama hatte anscheinend auch keine Lust mehr auf weitere Diskussionen und erklärte kurzerhand: „Wir fahren an der nächsten Raststätte raus, dann kannst du etwas essen.“

Papa brummte nur. Wie immer würde er am liebsten in einem Ritt durchfahren.

An der Raststätte packte Mama die Tasche mit den Broten aus. So wirklich Hunger hatte Noel eigentlich gar nicht und so nagte er nur halbherzig an seinem Essen herum. Papa hingegen schien plötzlich einen Mordshunger zu haben. Er verschlang ein Brot nach dem anderen. Mit gefüllten Backen moserte er noch immer über den zu teuren Ring. Noel reichte es und er sagte seiner Mama, dass er wieder in das Auto geht. Mama nickte nur und Noel verschanzte sich genervt auf dem Rücksitz.

Traurig, weil seine Eltern so oft zankten, sah er aus dem Rückfenster.

Was war das? Irgendetwas funkelte zwischen den düsteren Bäumen am Ende der weiß verschneiten Wiese. Es glitzerte und leuchtete in sämtlichen Farben, ein wenig so, als koche dort jemand eine Regenbogensuppe. Noel schaute hinüber zu seinen Eltern, die gerade anfingen ihre Sachen wieder zusammenzupacken.

„Potzblitz!“, dachte sich Noel: „Jetzt muss ich mich aber beeilen.“

Er öffnete die Autotür und schloss sie so leise wie er nur konnte. Noel ging neugierig auf das Leuchten im Walde zu. Ein wenig mulmig war ihm schon, aber es war, als würde das Funkeln ihn rufen. Als er am Waldrand angekommen war, hörte er ein Auto mit quietschenden Reifen davon fahren.

Ruckartig drehte er sich um und es dauerte einen kleinen Moment, ehe er begriff, dass seine Eltern ohne ihn losgefahren sind. „Mamaaaa, Papaaaa!“, rief er völlig verzweifelt und hatte das Glitzern völlig vergessen. Es half nichts, das Auto war weg. Mit laut schluchzendem Weinen ließ er sich auf den kalten Schnee sinken und starrte der Stelle hinterher, an welcher die Rücklichter ein letztes Mal zu sehen waren.

Er bemerkte es nicht gleich, aber irgendwas stupste ihn an seine Pudelmütze. Da! Schon wieder! Noel drehte sich zögerlich um und glaubte nicht, was er dort sah. Verwundert rieb er sich seine Augen ganz fest, aber als er sie öffnete, stand es noch immer vor ihm.

„Ein Einhorn! Das ist ein Einhorn!“

Noel staunte mit offenem Mund. Hat das Einhorn ihm gerade mit seinen sanften Augen zugezwinkert?  Und dieses Horn! In unzähligen Farben funkelte es. Das Einhorn senkte langsam den Kopf und berührte mit dem Horn Noel, dessen Mund noch immer offen stand, an der Nasenspitze. Augenblicklich wurden seine Augen schwer und er fiel in einen tiefen Schlaf.

***

Als er wieder aufwachte, fand sich Noel auf einer riesigen Wiese mit herrlichen Blumen wieder. Er rieb sich die Augen und kniff sich einmal kurz in den Arm, aber es blieb dabei. Kein Traum, aber wie war das möglich?

Noel war von dem wunderschönen Blumenmeer völlig überwältigt. Er lächelte glücklich und fühlte sich sehr geborgen. Er wurde sanft an seiner Schulter gestupst.

„Die Blumen sagten mir, dass du jemanden sehr vermisst, der in deinem Herzen wundervolle Spuren hinterlassen hat. Lass uns ein paar Schritte gehen und erzähle mir ein wenig von Dir.“

„Hm, was soll ich Dir von mir erzählen? Ich bin Noel und ich fahre mit meinen Eltern zur Oma. Wir wollen doch gemeinsam Weihnachten feiern. Gerade bin ich aus dem Auto geklettert, um das Leuchten zu sehen und jetzt sind sie einfach weggefahren.“

Nun wollten doch ein paar Tränen kommen, aber Noel schluckte sie mit einem energischen Nasenschniefer herunter.

„Und wer bist du?“

Neugierig betrachtet er das wunderschöne Einhorn an seiner Seite.

„Ich bin ein Einhorn und ich stehe für das Gute überall auf der Welt und in jedem Menschen. Und nur sehr besondere Menschen können Einhörner sehen. Du bist einer davon. Das zeichnet dich aus! Sag mir, was macht dich so traurig?“

Noel überlegte nicht lange: „Ich vermisse meinen Opa, aber ich sage es niemandem, denn sonst sind die Anderen auch traurig. Er fehlt mir, denn wir haben vieles zusammen unternommen. Er hat mir gezeigt, wie man Weihnachtsengel aus Holz schnitzt. Hier, schau, den trage ich immer bei mir.“

Noel zog eine kleine Holzfigur aus seiner Hosentasche hervor.

„Nachdem Opa gestorben ist, glaube ich, dass der Engel mich beschützt, denn er ist ja von ihm. Ehrlich gesagt, würde ich gerne wissen, wie es ihm jetzt geht und ich würde ihn gerne wiedersehen. Du bist doch ein Einhorn, kannst du dann nicht zaubern?“

Das Einhorn sah Noel in die mit Tränen gefüllten Augen und tröstete ihn mit seinem Blick.

„Weißt du Noel, so wirklich zaubern kann ich nicht, doch heute ist eine besondere Nacht und es können magische Momente geschehen. Gehe ein paar Schritte mit mir, ich zeige dir etwas.“

Noel und das Einhorn gingen nebeneinander durch die Wiese. Noel wunderte sich immer mehr welch Blumen und Düfte es hier gab, es war einfach zauberhaft. Er hörte ein Plätschern und ging auf dieses Geräusch zu, bis er am Ufer eines Baches stand. Das Wasser umspielte ein paar Steine und bildete lustige Wirbel, die aussahen, als würden sie tanzen. Im Bach schwammen munter ein paar Fische. Das Wasser war so klar, dass man bis zum Grund schauen konnte, wo etwas Noels Aufmerksamkeit auf sich zog. uEs lag dort ein besonderes schöner Stein, der golden glitzerte und glänzte. Noel drehte sich zu seinen Begleiter um, schaute ihn mit verwunderten Augen an und fragte:

„Was ist das für ein Stein?“

„Das sind Wunschsteine, wenn sie glänzen geht ein Wunsch in Erfüllung.“

***

In der Zwischenzeit waren seine Eltern schon ein ganzes Stück weitergefahren und hatten ihren Streit endlich beendet. Sie unterhielten sich leise miteinander, um Noel, welchen sie schlafend auf der Rückbank vermuteten, nicht zu wecken. Er soll doch wenn sie bei Oma Auguste angekommen sind ausgeschlafen sein und den Weihnachtsabend lange mit ihnen verbringen können.

Beide versanken in ihre eigenen Gedanken. Noels Papa konzentrierte sich auf die schneebedeckte Strasse und seine Mama war in Gedanken beim Zubereiten des Weihnachtsessens, was sie immer mit Oma Auguste gemeinsam kochte. Im Stillen ging sie nochmal die Einkaufsliste durch und hoffte, dass Auguste alles eingekauft hatte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie vergass doch ab und an mal ganz gerne was.

Der Papa bemerkte das Lächeln auf dem Gesicht seiner Frau und dachte: Schnee hin oder her,Weihnachten mit der geliebten Familie ist doch die schönste Zeit im Jahr. Es tat ihm nun leid, dass er so über den Schnee geschimpft hatte am Morgen und das er sich über den Ring ärgerte. So in ihre Gedanken versunken bemerkten sie immer noch nicht, dass Noel längst nicht mehr da war.

***

Noel fragte das Einhorn ob es auch einen Namen hat. Liebevoll sah ihn das Einhorn an und sprach: „Ich bin dein Einhorn und begleite dich schon dein ganzes Leben lang. Gib du mir einen Namen, wenn du magst.“ Noel sah das Einhorn an: „Darf ich dir wirklich einen Namen geben?“ „Ja!“, erwiderte das Einhorn: „Ich bin doch ein Teil von dir. Nur zu.“

Noel begann nachzudenken. All die duftenden Blumen, die schönen bunten Farben. Da fiel ihm der richtige Name ein.

„So soll dein Name sein: Regenbogenstern.“, sagte Noel.

Das Einhorn freute sich sehr über den schönen Namen und sprach:  „Jetzt wo ich einen Namen von dir habe, trägst du einen Teil von meiner Magie in deinem Herzen, aber das Entscheidende war, dass du mir erst einen Namen gegeben hast, bevor du mir deinen größten Wunsch genannt hast.“

„Einen Wunsch?“ Noel war verwundert. „Ich wusste nicht, dass Einhörner Wünsche erfüllen können.“

„Natürlich können sie das.“, erwiderte das Einhorn sanft. „Also, was wünschst du dir?“

„Hm“, Noel überlegte. „Ich weiß es nicht.“

Das Einhorn hakte nach: „Das glaube ich nicht, jeder Junge hat Wünsche. Was wünschst du dir am meisten? Horche noch einmal tief in dein Herz, dann fällt dir bestimmt etwas ein!“

Noel sah sich um und überlegte. Er dachte an die Autofahrt und daran, dass seine Eltern wahrscheinlich gar nicht bemerkten, dass sie ihn vergessen hatten. Plötzlich wusste er, was er sich wünscht. „Eigentlich wünsche ich mir, dass Frieden ist.“

Das Einhorn war beeindruckt. „Du bist wirklich ein außergewöhnlicher Junge Noel! Ich kann mich nicht daran erinnern, wann sich zuletzt jemand so etwas Schönes gewünscht hat. Nun bin ich neugierig geworden. Warum wünscht sich so ein kleiner Junge wie du Frieden?“

„Ach weißt du Regenbogenstern, mein Vater, der flucht ganz oft, obwohl es keinen Grund dazu gibt und meine Mama, die hat nie wirklich Zeit für schöne Dinge. Dabei sollte man doch das Leben genießen. Das hat Opa immer zu mir gesagt. Wenn Mama und Papa streiten, dann habe ich Bauchweh. Oft habe ich das Gefühl, sie bemerken mich gar nicht.“

„Oh!“, tröstete ihn das Einhorn. „Weißt du, ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Eltern dich nicht bemerken. Sie haben dich furchtbar lieb. Erwachsene sind nur sehr kompliziert, musst du wissen.“

„Mein Opa war nie kompliziert. Er hat mit mir immer lustige Dinge gemacht und er hat viel gelacht. Seitdem er nicht mehr da ist, wird viel weniger gelacht. Oma Auguste lacht viel weniger als sonst. Alle sind immer so traurig. Ich will, dass Opa wieder zurück kommt!“

Noel wurde ganz traurig.

„Du brauchst nicht traurig sein Noel.“, tröstete ihn Regenbogenstern. „Dein Opa hat dich sehr lieb gehabt und jeder Mensch der dich liebt hinterlässt Spuren in dir. Dein Opa ist zwar nicht mehr auf dieser Erde, aber er ist immer noch bei dir. Wenn du heute Nacht zu Bett gehst, dann schließe deine Augen und denke ganz fest an ihn. Und dabei horchst du ganz tief in dich hinein. Höre dein Herz und höre deinen Bauch. Es wird nicht lange dauern, bis du deinen Opa wieder findest. Er hat ganz viel in dir hinterlassen, was nur du hören und sehen kannst. Das ist dein Geheimnis. Es klappt vielleicht nicht sofort, aber wenn du das ein bisschen übst und immer wieder probierst, dann wird dein Opa dir nicht mehr so sehr fehlen und du kannst wieder mit ihm reden. “

„Meinst du wirklich, dass das geht?“ fragte Noel zweifelnd.

„Ja, das das funktioniert wirklich. Probiere es aus und wenn du Hilfe dabei brauchst, dann rufe mich einfach. Ich bin immer für dich da. Und jetzt, wo du mir diesen wunderschönen Namen gegeben hast, kannst du mich jederzeit zu Dir rufen.“

Noel war noch immer sehr zweifelnd. Er beschloß aber, es einfach einmal auszuprobieren.

„So lieber Noel, nun muss ich dich kurz alleine lassen, es warten noch andere Aufgaben auf mich.“

„Ist gut.“, sagte Noel. „Gerne möchte ich noch einmal die funkelnden Blumen anschauen und das Plätschern des Baches hören, ich werde einfach alleine ein wenig herumspazieren bis du zurück bist Regenbogenstern.“

So machte sich Noel auf den Weg. Er genoß den betörenden Duft der Blumen, die glitzernden Farben, das Vogelgezwitscher und ließ in Gedanken das Gespräch mit Regenbogenstern noch einmal Revue passieren. Noel strahlte über das ganze Gesicht, in ihm breitete sich ein Gefühl von Leichtigkeit aus. Er erreichte wieder den Bach und träumte davon, eventuell noch solch einen wundervoll glitzernden Wunschstein zu entdecken.

Plötzlich gab es einen lauten Knall, die Sonne war weg, Wolken zogen auf, es wurde dunkel und kalt, die Blumen verloren ihre leuchtenden Farben. Noel erschrak. Er fühlte sich wie gelähmt, es blitzte und donnerte um ihn herum und dicke Regentopfen machten ihn ganz nass. Am liebsten würde er wegrennen, doch das ging nicht, seine Beine gehorchten ihm nicht. Er griff vor lauter Angst in seine Hosentasche nach dem Weihnachtsengel. In seiner Handfläche wurde es plötzlich ganz warm und allmählich so heiß, dass er den Weihnachtsengel aus seiner Hosentasche zog, weil er glaubte, er würde gleich verbrennen. Als Noel seine Hand öffnete, strahlte ihm aus dem Bauch des Weihnachtsengels ein bunt glitzernder Stern entgegen. Die Dunkelheit löste sich auf, die Wolken verschwanden und das Leuchten der Sonne ließ einen wunderschönen Regenbogen entstehen. Auf der Oberfläche des Baches spiegelte sich das Ebenbild von Regenbogenstern.

Erleichtert drehte Noel sich um.

„Warum siehst du so traurig aus?“, fragte Noel.

„Gehen wir ein Stück Noel, dann werde ich dir alles erzählen.“

Sie liefen schon eine ganze Weile und Noel dachte schon Regenbogenstern hätte vergessen, dass er ihm etwas erzählen wollte. Er sah aber so traurig aus, dass Noel nicht wagte ihn daran zu erinnern.

„Es begann vor ungefähr drei Jahren. Siehst du den Berg dort hinter den Wäldern?“

Regenbogenstern schaute traurig in die Ferne des Waldes und Noel erkannte erst jetzt die Umrisse eines gewaltigen Gipfels.

„Ja, ich sehe den Berg.“, sagte Noel, als Regenbogenstern nicht weitersprach.

Im selben Moment stolperte er über eine dicke Wurzel und stürzte in ein dahinter liegendes tiefes Loch, dass so vom hohen Gras verdeckt war, dass er es nicht kommen sah. Er fiel und fiel und landete schließlich in einem weichen Haufen, der nach dem altem verfaultem Mist wie der hinter Omas Hütte stank, den sie immer zum Düngen ihrer Pflanzen benutzte.

„Regenbogenstern!“, schrie Noel mit aller Kraft.

Er versuchte aufzustehen und stieß mit seinem Kopf an etwas sehr hartes. Es war stockfinster, nur sehr weit über sich konnte er ein kleines schwaches Licht erkennen. Er meinte, wie in weiter Ferne, ein aufgeregtes Wiehern zu höre, doch sogleich war um ihn herum als beängstigend still.

Er lauschte in die Dunkelheit, aber es war keine Antwort von Regenbogenstern zu hören. Mit aller Kraft schrie er abermals Regenbogensterns Namen, aber nichts außer seinem eigenen Echo konnte er hören. Noel fing bitterlich an zu weinen.

Alles hat seine Zeit, so auch die Zeit der Tränen, die schließlich versiegten.

Noel begann nachzudenken. Was konnte er nur tun? Er musste nach einem Ausgang suchen.

Er nahm all seinen Mut beisammen und tastete die Wände ab. Sie waren kalt, zum Teil glitschig und für einen kurzen Moment schien es so, als würde etwas blitzschnell über seine Finger krabbeln, doch daran wollte Noel gar nicht denken. Zentimeter für Zentimeter ging er im Kreis die Wand entlang, bis sein Fuß plötzlich ins Leere trat. Fast wäre er wieder gefallen. Eine ganze Weile traute sich Noel gar nicht mehr, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Er stand starr vor Schreck und dachte so angestrengt nach, dass ihm der Kopf brummte.

‚Okay, als nach oben führt kein Weg, aber vielleicht nach unten.‘

Noel lief ein kalter Schauer über den Rücken, aber er hatte keine Wahl. Er setzte seinen Fuß ganz langsam in das Loch und spürte erleichtert so etwas wie eine Stufe. Vorsichtig tastete er sich mit seinen Füßen nach unten, Stück für Stück, Stufe um Stufe. Überall lagen kleine und größere Steine herum und die Treppe führte ihn kreisförmig immer tiefer in das Erdreich hinein. Immer wieder huschte etwas über seine Füße und Noel schrie leise auf.

Immer wieder redete er sich selbst Mut zu und sagte sich: ‚Du musst weitergehen!‘

Schließlich endete die Treppe, wohin auch immer Noel seinen Fuß setzte, es ging nicht tiefer hinab. Er schien in einer Art Tunnel zu sein, da es immer nur in einer Richtung weiter geradeaus ging.

BUMM. BUMM.

Ganz leise war ein dumpfes Geräusch zu hören.

BUMM. BUMM.

„Ist da jemand?“, schrie Noel so laut er konnte und tastete sich weiter vorwärts.

Die einzige Antwort war ein stetig lauter werdendes BUMM. BUMM.

„Ist daaaa jemand?“, schrie Noel noch einmal.

Keine Antwort. Noel bemerkte es nicht sofort, aber das laute wuchtige Geräusch hatte aufgehört. Ein letztes Mal rief er so laut er nur konnte:

„Hilfe, ist da jemand?“

Absolute Stille.

Da! Ein Rascheln! Noel war sich nicht ganz sicher, aber dort: Schon wieder! Ganz deutlich hörte Noel ein Rascheln und ein sehr grimmiges Flüstern. Noel verfluchte sich dafür, dass er so laut nach Hilfe gerufen hatte, denn die Geräusche klangen alles andere als freundlich. Etwas packte Noel mit einem Ruck an seinem Bein und riss ihn zu Boden. Noel strampelte und schrie, aber irgendwas, kaum größer als er selbst, warf sich mit aller Wucht auf ihn und drückte ihn zu Boden. Je lauter Noel schrie, um so fester drückte dieses Etwas zu. Erst als Noel vor lauter Erschöpfung keinen Mucks mehr von sich gab, lockerte sich der Griff ein wenig. Das Wesen kletterte von ihm herunter, doch plötzlich packte ihn auch etwas fest an seinem anderen Bein.

Sie zogen Noel mit festem Griff hinter sich her. Noel wehrte sich nicht. Er spürte instinktiv, dass er keine Chance haben würde.

Allmählich wurden die Wände des Ganges heller. Schroffe Felswände säumten den Weg. Noel hatte nicht die Kraft lange nach vorne zu schauen und konnte anhand kurzer Blicke nur erahnen, wer seine Peiniger waren. Das Einzige was er erkannte, waren rote und sehr zottlige Haare.

Schlagartig wurde es heller. Die roten Zottelköpfe zerrten Noel nun durch ein riesiges Gewölbe, in dem es an allen Ecken und Enden funkelte. Noel musste seine Augen zusammenkneifen, um etwas erkennen zu können.

Was er sah, raubte ihm sprichwörtlich den Atem. In der Mitte der riesigen Höhle gingen Einhörner im Kreis. Fesseln rasselte an ihren Beinen und ihre Mäuler waren mit Zaumzeug festgegurtet. Noel hatte so etwas ähnliches schon einmal in einem Film gesehen. Die Einhörner ließen traurig ihre Köpfe hängen und Noel liefen still die Tränen über das Gesicht. Wer kann denn einem Einhorn nur so etwas schreckliches antun?

Noel sah auch andere Wesen, die schwere Fesseln an ihren Füßen trugen. Die einen gruben in den Felswänden, andere schleppten schwere Körbe zu einer Art Fließband. Das könnte es sein, was die Einhörner in Bewegung setzten.

Einige Wesen hatte Noel schon einmal in ähnlicher Weise in einem Buch gesehen. Die kleinen Elfen dort hinten oder das , das waren Zentauren, die mit ihren Hufen Felsbrocken zerschlugen.

Es gab dort aber auch Wesen, die Noel nie zuvor gesehen hatte. Einigen sahen aus wie Ziegen und auch wieder nicht. Sie hatten kleine Hörner und einen spitzen Bart, aber der Körper ähnelte eher dem eines Wildschweines und ihre Augen leuchteten in hellem Türkis.

Plötzlich waren wieder Felswände um Noel herum, sie haben die Halle verlassen und erreichten nun eine andere Höhle.

Die Rotzottelköpfe ließen Noel los, packten ihn aber fast im gleichen Moment an den Armen und rissen ihn nach oben. Ehe Noel in der Lage war, auch nur den geringsten Widerstand zu leisten, hatte die Beiden ihn in Windeseile in einen Käfig gesteckt.

„Zieh ihn hoch, zieh ihn hoch!“, schrie der eine Zottelkopf.

Der Andere schlug freudig in seine Hände, drehte sich dreimal um sich selbst und lief zu einer großen Kurbel an der Felswand zu. Er spuckte in die Hände, lachte schauerlich und fing an die Kurbel zu drehen. Der Käfig begann fürchterlich zu wackeln, bis er sich vom Boden abhob und alsbald an einem dicken Strick befestigt in der Luft baumelte.

Von hier oben konnte Noel zwar viel mehr überblicken, aber ihm schlotterten die Knie vor Angst. Was haben die bloß mit mir vor? Noel schaute sich seine Widersacher genauer an und erkannte nun, dass sie den grusligen Zwergen aus seinem dicken Märchenbuch sehr ähnlich sahen. Zwerge also.

Der eine Zwerg begann mit kleinen Steinen nach Noel zu werfen und jedesmal, wenn er Noel traf und dieser vor Schmerz kurz aufschrie, brach er in schallendes Gelächter aus.

„Komm jetzt!“ rief der Zwerg, der Noel eben noch in die Luft gekurbelt hatte: „Es wird Zeit für das Abendbrot.“

Davon, dass Zwerge immer furchtbar hungrig waren, hatte Noel schon oft gehört und er selbst spürte ein starkes Knurren in seinem Magen.

Noel schaute sich in der Höhle um. Vielleicht würde er etwas entdecken, dass ihn befreien könnte. Alles was jedoch auch nur halbwegs brauchbar erschien, war viel zu weit weg, als das er es je erreichen würde. Er kämpfte abermals mit seinen Tränen.

‚Potzblitz was war das!‘

Noel hätte schwören können, dass der langgezogene Felsvorsprung zur Rechten des Eingangs sich gerade bewegt hatte. Da, schon wieder! Tatsächlich, der Felsbrocken bewegte sich hin und her. Die Höhle wird einstürzen.

Plötzlich funkelten Noel aus dem Felsbrocken zwei rote Kristalle entgegen. Noel schaute genauer hin und der Schreck fuhr ihm in alle Glieder. Verdammt, das waren keine Kristalle, sondern zwei rot funkelnde Augen, die ihm direkt ins Gesicht sahen. Wenn dort zwei Augen sind, wo ist dann der Rest des Körpers? Noel war ziemlich bange ums Herz.

Der Felsbrocken begann sich abermals zu bewegen und rückte ein klein wenig von der Wand ab. Noel studierte jede Rundung, Ecke und Kante ganz genau.

‚Potzblitz es ist ein Drache!‘

Plötzlich war es ganz deutlich zu sehen, das war kein Felsbrocken, das war ein Drache!

Noel stieß einen grellen Schrei aus, denn vor Drachen hatte er wirklich fürchterliche Angst.

„Chrrr, chrrrr.“, räusperte sich eine ganz tiefe rauhe Stimme.

Noel spitzte die Ohren und verkniff sich einen erneuten Aufschrei. Vielleicht hat er mich ja gar nicht gesehen, denkt er so bei sich.

„Chrrrrr, chrrrrr ich chrrrr bin es nicht chrrrrr gewohnt zu sprechen.“

‚Potzblitz, es ist der Drache, der Drache redet mit mir.‘

„Fürchte dich nicht chrrrrrr vor mir. Ich bin ein Gefangener chrrrrr wie du.“

„Aber du bist ein Drache!“, polterte es aus Noel heraus. „Drachen sind mächtige Zauberwesen und nur sehr schwer zu besiegen. Was ist mit dir passiert?“

Der Drache krächzte so tief, dass Noel ein Schauer durch den ganzen Körper ging.

„Sie haben mich chrrrrr vergiftet. Einer der Zwerge chrrrrr hat mir etwas in mein Essen gemischt und ich bin augenblicklich eingeschlafen. Chrrrrrrr. Sie haben mir meinen Berg gestohlen. Chrrrrr. Sie stahlen mir meinen Berg, fingen die Zauberwesen des Landes ein und reißen seither aus dem Herzen des Berges Chrrrrr alles Gold und alle Edelsteine, um sie zum bösen Troll am Ende des Regenbogens zu bringen.“

„Am Ende des Regenbogens? Zum Troll?“

„Chrrrrrr still kleiner Mann, chrrrrr wir haben nicht viel Zeit. Ich bin schwach und bald falle ich wieder in einen tiefen Schlaf. Meine Kräfte schwinden bereits.“

Der Drache öffnete seinen Rachen und holte so tief Luft, dass Noels Käfig in seine Richtung wirbelte.

Plötzlich stieß er die Luft in einem einzigen dünnen Feuerstrahl wieder aus und traf das Seil, dass den Käfig hielt. Das Seil begann augenblicklich zu brennen und es dauerte nicht lang und der Käfig stürzte auf den Boden, die Tür sprang auf und Noel war frei.

„Lauf kleiner Mann, chrrrrr lauf schnell, die Zwerge werden nicht ewig fort sein.“

„Ich lass dich doch nicht alleine hier zurück!“

„Jetzt lauf schon chrrrr du kleiner störrischer Mann.“ „

Nein! Auf gar keinen Fall. Der Opa hat immer gesagt, lasse nie einen Freund im Stich. Du hast mich befreit und ab heute bist du mein Freund.“

Der Drache gurgelte und es klang fast so, als würde er lachen.

„Kleiner Mann, dann gibt es nur einen Weg. Chrrrrr. Es gibt noch einen Trunk der Zwerge, diesen geben sie mir immer, wenn ich Feuer machen soll. Einer der Zwerge hat besonders rote Haare und trägt eine Ampulle mit diesem Saft stets um seinen Hals. Chrrrrrr. Diesen Saft musst chrrrrr du mir bringen. Aber beeile dich.“

Noel drückte seinen Rücken gerade und ging stolzen Hauptes an dem Drachen vorbei, wobei er inständig hoffte, er würde seine schlotternden Knie nicht bemerken. Als er um die Ecke gebogen war, da sackten seine Schultern zusammen und sein Gang wurde müde und schwer. Wie sollte er nur an diese Ampulle kommen?

Er ließ sich auf den Boden fallen und weinte dicke Tränen der Verzweiflung. Ihm fielen die Worte seines Opas ein:

„Wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Licht daher.“

Noel lächelte traurig: Opa wusste immer, was zu tun ist.

Mutig setzte er seinen Weg fort und kam dabei an einer kleinen Tür vorbei aus der ein lautes Schnarchen drang. Ganz vorsichtig schlich Noel hinein, um zu sehen, wer denn dort so laut schnarchen würde und – er traute seinen Augen nicht – dort lagen sie: All die Zwerge mit ihren vollgefutterten Bäuchen.

‚Ich muss den Zwerg mit der Ampulle finden!‘

Noel zog seine Schuhe aus und ging auf Zehenspitzen mit laut klopfendem Herzen an einem Zwerg nach dem anderen vorbei. Jetzt sah er ihn und er sah auch die Ampulle um seinen Hals. Er lag an einen großen Tisch gelehnt auf einem dicken Fell, sein fetter Bauch senkte und hob sich bei jedem Atemzug wackelnd auf und nieder und er schnarchte so laut und kräftig, dass Noels Haare flatterten.

Noel kletterte von einem Stuhl auf den Tisch über den Zwerg und versuchte vorbei am fetten Gänsebraten nach dem Band mit der Ampulle zu hangeln. Dabei stieß er jedoch mit seinem Arm an einer der restlichen Braten, eine Feder löste sich und segelte in aller Seelenruhe direkt auf das Gesicht des Zwerges los.

‚Ach du Schande!‘

Noel versuchte noch die Feder zu greifen, aber verfehlte sie. Die Feder landete direkt unter der dicken knolligen Nase des Zwerges und verfing sich in dessen Zottelbart. Puh, Glück gehabt. Der Zwerg hat nichts gemerkt. Noel legte sich wieder in Position und sah plötzlich erschrocken, wie sich das Gesicht des Zwerges zu einer furchtbaren Grimasse verzog.

‚Potzblitz, er wird aufwachen!‘

Mit einem lauten „Haaaatschi.“ nieste der Zwerg so heftig, dass sein Kopf nach vorne flog und die Kette mit der Ampulle durch den halben Raum sauste. Noel war starr vor Schreck, aber der Zwerg schien einfach weiterzuschlafen und mit ihm all die anderen Zwerge. Schnell kletterte Noel vom Tisch, schlich zu der Ampulle, nahm sie an sich, schnappte seine Schuhe am Eingang und lief so schnell er konnte zurück zum Drachen.

Der Drache hatte seine Augen geschlossen und schien bereits wieder zu schlafen. Noel wollte jetzt ganz sicher nicht mehr aufgeben. Er nahm all seinen Mut zusammen und stieg mühsam an der Felsenwand zum Kopf des Drachens empor. Er tröpfelte ihm den Saft der Ampulle in seinen riesigen leicht geöffneten Schlund. Der Drache begann zu wackeln, Noel konnte sich nicht halten und fiel hinunter, direkt auf eine dicke eiserne Fessel.

„Na super!“, schimpfte Noel. „Na super! Jetzt bist du wach, aber deine Füße liegen in dicken schweren Fesseln gefangen!“

„Ruhig, chrrrr mein kleiner Freund. Ruhig, du wirst die Zwerge herbeirufen, wenn du so schimpfst. Chrrrr. Schaue hinten an der Wand hängen die Schlüssel, mit denen du mich von den Fesseln befreien kannst.“

Das war jetzt endlich einmal leicht. Noel holte die schweren Schlüssel und öffnete mit all seiner Kraft eine Fessel nach der anderen.

„Steige auf meinen Rücken, chrrrr.“

„Ich soll auf deinen Rücken steigen?“, ungläubig starrte Noel den Drachen an.

„Mach schnell, klettere auf meinen Rücken und halte dich gut fest! Wir müssen fliegen.“

„Fliegen?“

Noel traute seinen Ohren nicht.

‚Was solls!‘

Er tat wie ihm geheißen, kletterte abermals die Felswand hinauf und stieg von dort auf den mächtigen Rücken des Drachens.

Er hatte sich noch gar nicht richtig festgehalten, da erhob sich der Drache vom Boden, spie einen dicken Feuerstrahl aus, machte seinen Rücken krumm und hob sich vom Boden ab.

„Wir fliegen! Das ist ja verrückt! Wir fliegen.“, rief Noel.

Der Drache machte wieder dieses seltsame Geräusch, das wohl ein Lachen sein sollte und rief ihm zu: „Halte dich einfach nur gut fest!“

Was für eine Berg und Talfahrt begann. Der Drache sauste mit Noel durch Gänge und Höhlen. Hinauf und wieder hinunter. Ein ums andere Mal meinte Noel sein Herz würde stehen bleiben, da er ganz fest glaubte, die nächste Kurve würden sie nicht schaffen.

„Wuuuuaaaaaaaaaah“, schrie Noel aus voller Kehle, als der Drache direkt auf eine riesige Wasserwand zusteuerte und keinerlei Anstalten machte abzubiegen.

‚Er ist verrückt geworden!‘

Doch der Drache legte noch einen Zahn zu und sauste direkt durch die Wasserwand hindurch. Noel war klitschnass, aber mehr noch war er froh, dass er noch am Leben war. Der Drache setzte zum Tiefflug an und kam schlitternd neben dem Ufer eines reißenden Baches zum liegen.

Noel kletterte noch völlig benommen hinunter. Er war noch recht wacklig auf seinen Beinen.

„Potzblitz, das nenne ich mal einen gelungenen Flug!“

Er erblickte den gewaltigen Wasserfall, durch den sie einfach hindurch geflogen sind.

„Wahnsinn! Hast Du mir einen Schrecken eingejagt!“, wetterte Noel los.

Als er jedoch sah, dass der Drache völlig erschöpft am Boden lag, hielt er inne und bereute sogleich seine Worte.

„Lieber Drache, ist alles in Ordnung mit dir?“

„Chrrrrrrrr. Der Trank verliert seine Wirkung.“

„Aber wir müssen doch noch zum Ende des Regenbogens fliegen!“

„Chrrrrr, flieg mit dem Weihnachtsmann. Chrrrrrr. Ich muss mich ausruhen.“

„Aber …“ Noel schluckte.

‚Mit dem Weihnachtsmann? Was soll das bedeuten?‘

„Folge dem Lauf des Baches kleiner Mann.“, sprach der Drache noch, ehe er in einen tiefen Schlaf sank.

Noel hatte keine Wahl. Er musste zum Ende des Regenbogens und alle Zauberwesen aus der Höhle befreien. Er wusste nicht wie er das schaffen sollte, aber es war keine Zeit für Tränen. So ging er – zwar müde und hungrig, aber dennoch entschlossen am Ufer des Baches entlang, bis ihn seine Füße nicht mehr tragen wollten und er sich unter einem sonderbaren Baum ausruhen wollte. Dort fiel er in einen unruhigen Schlaf.

***

Er träumte von Trollen, Drachen, Einhörnern und anderen Fabelwesen und als er die Augen öffnete und mitten hinein in das Gesicht von Regenbogenstern sah, war er sich nicht sicher, ob er noch immer schlief oder das Einhorn wirklich vor ihm stand.

„Wir müssen den Weihnachtsmann finden.“, polterte Noel aufgeregt los, als ihm die ganze Geschichte wieder einfiel.

Regenbogenstern schien sich darüber nicht zu wundern. Er nickte still und seine Augen strahlten, als würde sein ganzes Herz voll der Freude sein.

„Den Wunsch kann ich dir gerne erfüllen, komm mit.“

Sie wanderten am Bach entlang und Musik erklang erst ganz leise und dann immer lauter werdend in Noels Ohren. Es klang wie die Weihnachtsmusik bei Oma Auguste, aber auch wieder nicht. Alles schien wie verzaubert und mit dem Glanz eines Märchens überzogen.

Die Sonne stand bereits tief am Himmel, als Noel in der Ferne bunte Lichter und allerlei Wesen sah. Immer näher kamen sie den Lichtern und Noel staunte nicht schlecht, als er erkannte, dass dort noch viel mehr Einhörner waren. Kleine Elfen schwebten durch die Lüfte, Trolle, gerade mal so groß wie Noels Hand schlugen lustige Purzelbäume und dort auf dem einen Baum saß ein goldener Engel, der auf einer Harfe spielte. Überall hingen Zuckerstangen in den Ästen und … ‚POTZBLITZ das gibt es doch nicht!‘

Mitten in all dem Getümmel stand der Weihnachtsmann, verteilte Geschenke an all die wundersamen Wesen und lachte immer wieder so laut, dass sein dicker Bauch auf und nieder wackelte.

„Ho, ho, ho!“

Noel sah Regenbogenstern mit großen Augen an:

„Zu euch kommt auch der Weihnachtsmann?“

„Aber natürlich, er kommt zu allen Wesen.“

Noel staunte nicht schlecht. Da stand er leibhaftig. Der Weihnachtsmann auf seinem Schlitten und die Rentiere davor labten sich am frischen Heu, welches vor ihnen aufgeschüttet lag.

„Ho, ho, ho!“, rief der Weihnachtsmann noch einmal und lachte dabei laut. „Habe ich nun alle beschenkt? Wollen wir mal sehen!“

„Hier!“, rief Regenbogenstern und zeigte auf Noel. „Ich glaube Du hast noch jemanden vergessen.“

Der Weihnachtsmann blickte in Noels Richtung und rief ihm zu, dass er zu ihm kommen solle. Noel schaut Regenbogenstern an.

„Nun geh schon Noel.“

Sanft stupste es Noel an und schob ihn in die Richtung des Weihnachtsmannes. Zögerlich ging Noel los und blieb schließlich verschüchtert vor dem Weihnachtsmann stehen. Vielleicht war ich ja nicht artig genug? Immerhin habe ich letztes Mal beim Aufräumen all meine Spielsachen einfach unter das Bett geschoben. Ein wenig schlotterten ihm schon die Knie, der Weihnachtsmann, so heißt es, weiß ja schließlich alles. Gerade als Noel erklären wollte, dass er das Zimmer ja nur so halb aufgeräumt hätte, weil es danach Kuchen gab und er furchtbaren Hunger hatte, rollte eine dicke Träne über die Wange des Weihnachtsmannes und die Augen schauten ihn sehr seltsam an. Ohje, dachte Noel: Hätte ich gewusst, dass es den Weihnachtsmann so traurig macht, dann hätte ich besser aufgeräumt!

„Potzblitz“, schrie der Weihnachtsmann plötzlich los. „Potzblitz! Das ist ja mein Junge!“

Es gab nur einen einzigen Menschen auf der Welt, der ständig Potzblitz rief. Aber das kann doch nicht …

„Opa?“

„Mein Junge!“, schrie der Weihnachtsmann, sprang vom Schlitten, nahm Noel auf seine starken Arme und wirbelte ihn im Kreis umher ehe er ihn wieder absetzte und Noel mit großen Augen bestaunte.

„Wie groß du geworden bist.“

„Mein Opa ist der Weihnachtsmann?“

Noel konnte es gar nicht begreifen.

„Ho, ho, ho“, lachte der Opa aus vollem Halse: „Ich bin der Weihnachtsmann!“

„Aber …?“

Der Opa hob Noel in seinen Schlitten und begann zu erzählen. Davon, dass es schon immer vorher bestimmt war, dass er eines Tages der Weihnachtsmann sein würde. Als er starb, da wachte er plötzlich im Haus des Weihnachtsmannes am Nordpol wieder auf. Wichtel standen um ihn herum und strahlten vor Freude über das ganze Gesicht. Sie erzählten ihm, dass er von nun an für tausend Jahre der Weihnachtsmann sei und eines Tages, so sagten sie, wenn es Zeit für seine Auguste ist, die Erde zu verlassen, würde sie die Weihnachtsfrau. Der Opa erzählte auch, dass er das alles nicht sofort verstand und glaubte zu träumen. Nach und nach jedoch gewöhnte er sich daran und nun verteilte er das erste Mal all die Geschenke in der Welt.

„Apropo Geschenke! Was wünschst du dir zu Weihnachten Noel?“

„Oh mein Wunsch wurde ja schon erfüllt, ich wollte meinen Opa sehen!“

Dem Opa, der schon immer ein wenig nah am Wasser gebaut war, kugelte abermals eine dicke Träne über die Wange. Fest drückte er Noel an sich.

„Warte Opa! Ich habe doch noch einen Wunsch!“

Fast hätte Noel in all der Aufregung den Drachen und all die anderen armen Geschöpfe vergessen.

„Fliege mit mir zum Ende des Regenbogens. Ich muss einen Troll besiegen.“

„Potzblitz, einen Troll besiegen? Schau mal einer an. Nun denn satteln wir die Rentiere und nichts wie los.“

***

Noel konnte es gar nicht glauben. Ehe er sich versah, saß er wirklich in dem Schlitten des Weihnachtsmannes, der zudem noch sein eigener Opa war und flog mit ihm durch die Lüfte.

„Es ist gar nicht weit bis zum Regenbogen.“, rief der Opa Noel zu.

Noel wusste nicht so recht, ob ihn das freuen sollte. Er wäre gerne für alle Zeiten durch die Luft geflogen, denn von hier oben sah die Welt besonders schön aus. Überall waren die Häuser weihnachtlich geschmückt, so dass alles unter ihnen funkelte und glitzerte. Außerdem, aber das musste Opa ja nicht wissen, hatte er schon ein wenig Angst vor dem Troll.

„Wir müssen nur noch über diesen See, rechts um den Berg herum, links um den Berg dahinter und dann sind wir schon da.“

Der Schlitten sauste über das Wasser hinweg, mache eine scharfe Kurve nach rechts, dann nach links und vor ihnen schwebte der schönste Regenbogen in der Luft, den Noel jemals gesehen hatte.

Am Ende des Regenbogens war eine saftige Wiese, fast so schön wie jene am Bach. Es kam ihm vor, als sei eine Ewigkeit vergangen, als er dort war.  Noel wurde aus seinen Gedanke gerissen, denn der Schlitten kam jetzt ziemlich holprig zum Stehen.

„N’tschuldigung.“, nuschelte der Opa. „Ich werde das Landen wohl noch ein wenig üben müssen.“

Noel schmunzelte, weil er sich gut daran erinnerte, dass sein Opa auch früher mit dem Auto nicht wirklich besser zurecht kam.

„Verschwindet!“, zischte es vom Regenbogen her.

Noel musste sich die Hand über seine Augen halten, so hell strahlten dessen Farben.

„Verschwindet!“, zischte es noch lauter.

Jetzt sah Noel den Troll. Er saß mitten auf einem Topf und seine Augen funkelten voller Zorn zu ihnen herüber. Noel wurde es ziemlich mulmig in den Knien. Als würde der Opa seine Angst ahnen, flüsterte dieser leise:

„Fürchte Dich nicht Noel, der Troll sitzt auf dem Topf voller Gold und von diesem wird er sicher nicht so einfach herunter steigen.“

Die Stimme des Opas klang weniger überzeugend als seine Worte, aber Noel wollte tapfer sein. Vorsichtshalber nahm er jedoch seinen Opa an die Hand, ehe er dem Troll ein wenig entgegen ging. Nun konnte er ihn besser erkennen. Würde er nicht so fürchterlich böse schauen mit seinen roten zornigen Augen, so sähe er ja eigentlich ganz lustig aus. Das Haar stand in alle Richtungen ab und der Bart ging ihm fast bis zu den Füßen.

„Was wollt ihr von mir! Ihr sollt verschwinden!“, wütete der Troll.

„Ich bin der Weihnachtsmann und das hier ist Noel. Er wollte mir nicht glauben, dass es Trolle gibt, also dachte ich mir, ich zeige ihm mal einen!“

„Pah keine Trolle, wie dumm die Kinder heute doch sind! Überall auf der Welt gibt es Trolle! Überall hörst du du Rotnase! Warum also kommt ihr ausgerechnet zu mir?“

„Nun ja“, fuhr der Opa fort: „Du bist halt der berühmteste von allen, denn Du lebst am Ende des Regenbogens.“

Für einen klitzekleinen Moment schien es so, als fühlte der zornige Troll sich geschmeichelt. Gleich darauf polterte er jedoch wieder los:

„Nun hat er mich ja gesehen, verschwindet jetzt. Sonst wird es euch schlecht ergehen.“

Noel zupfte seinem Opa am Weihnachtsmantel und flüsterte ihm leise zu:

„Was sollen wir nur tun, der Troll wird uns den Topf nicht einfach so geben?“

Der Opa runzelte die Stirn, zog mal die eine mal die andere Augenbraue nach oben, bis seine Augen plötzlich schelmisch leuchteten, was immer genau dann geschah, wenn der Opa wieder eine seiner tollen Ideen hatte. Gut, oft ging dabei etwas schief, aber nun ist er ja schließlich der Weihnachtsmann!

Der Opa flüsterte Noel seinen Plan ins Ohr, währenddessen der Troll fluchte und wetterte, dass die Erde unter ihren Füßen nur so bebte. Noel nickte und machte sich auf den Weg zu den Rentieren. Rentiere müsst ihr wissen tragen immer ein Halsband mit einem mit Edelstein besetzten Glöckchen um den Hals und das vom Rentier Rudolph funkelte besonders schön. Währenddessen durchsuchte der Opa den gesamten Schlitten. Er rüttelte und schüttelte an einem Geschenk nach dem anderen.

„Hach, da haben wir es ja!“

Er öffnete das Geschenk und holte einen kleinen Käfig heraus, vermutlich für eine Maus. Noel verhandelte noch immer mit Rudolph, der sein Halsband einfach nicht hergeben wollte, doch als dieser den strengen Blick des Weihnachtsmannes sah, seufzte er nur und ließ sich von Noel das Glöckchen abnehmen.

Der Opa wickelte das Glöckchen an eine lange Schnur und legte es in den Käfig. Eine andere Schnur wurde an der Tür des Käfigs befestigt. Als alles erledigt war, stellten sie den Käfig mit dem funkelnden Glöckchen so dicht zum Troll, wie sie sich nur trauten.

„Ihr glaubt wohl ich falle auf Euren Trick herein! Fangen wollt ihr mich!“

Der Troll war außer sich vor Zorn, aber er konnte den Blick nicht von dem Glöckchen abwenden. Seine Gier war so groß, dass er anfing unruhig auf dem Topf hin und her zu rutschen.

„Komm mit Noel“, flüsterte Opa.

Sie gingen gemeinsam in den Schlitten und legten sich zum Schlafen nieder. Zumindest sollte der Troll denken, dass sie schlafen, denn in Wirklichkeit blinzelten sie immer wieder zu dem Troll herüber, was er denn nun tun würde.

„Pah, tut so als ihr schlafen würdet. Für wie dumm haltet ihr mich.“

Opa und Noel reagierten nicht.

„Ich will euer Glöckchen gar nicht, ihr könnt aufstehen!“

Der Opa fing laut zu schnarchen an. Der Troll wurde immer nervöser auf seinem Topf. Unruhig rutschte er hin und her. Immer wieder fuhr er sich mit seinen klobigen Fingern durch den langen Bart und grübelte laut:

„Vielleicht schlafen sie ja doch und ich kann mir das Glöckchen holen. Nur was wenn nicht. Ich müsste vom Topf aufstehen, aber was wenn der Käfig zugeht. Was für ein wundervolles Glöckchen. Und wenn ich ganz vorsichtig bin?“

So ging es eine ganze Weile hin und her, bis der Troll es einfach nicht mehr aushalten konnte. So vorsichtig wie er nur konnte, rutschte er von seinem Topf. Noel konnte kaum noch etwas erkennen so sehr funkelte und glitzerte es plötzlich. Zögerlich blieb der Troll stehen und blickte argwöhnisch abwechselnd zum Schlitten und zum Glöckchen, ehe er behutsam einen Fuß vor den anderen setzte und ganz langsam in den Käfig kletterte.

„Haben wir Dich!“, rief der Weihnachtsmann und zog so kräftig an seiner Schnur, dass die Türe des Käfigs mit einem lauten Knall geschlossen wurde.

Blitzschnell zog auch Noel an seiner Schnur und rettete das Glöckchen vor den gierigen Klauen des wütenden Trolls.

Oh wie böse dieser wurde. Er rüttelte außer sich vor Wut an den Stangen des Käfigs.

„Lasst mich sofort hier raus!“, schrie er immerfort.

Der Opa ließ sich davon nicht beeindrucken, schnappte den Käfig und schnallte ihn hinten auf den Schlitten.

„Was wollt ihr von mir ihr Ungetüme! Wo bringt ihr mich hin!“

Der Troll wurde so zornig, dass nicht viel gefehlt hätte und er wäre vor lauter Wut geplatzt.

So schnell er konnte holte der Weihnachtsmann den Topf voller Gold und lud auch diesen auf den Schlitten. Ich glaube, dass der Troll dabei tobte und schrie als würde es um sein Leben gehen, muss nicht weiter erwähnt werden.

Als alles erledigt war kletterten Noel und sein Opa auf den Schlitten.

„Was machen wir nun mit dem Gold?“, fragte Noel.

„Es ist Weihnachten mein Junge!“, lachte Opa.

So laut er konnte rief er: „Ho! Ho! Ho!“ und der Schlitten erhob sich samt des noch immer fluchenden Trolls, dem Gold und Noel in die Lüfte.

„Beschenken wir alle Wesen dieser Welt. Ho, ho, ho!“

Mit dem Wind reisten sie von einem Haus zum nächsten und verteilten das Gold in aller Welt. Noel wunderte sich sehr, wieviel Gold in den kleinen Topf passte. Es schien, als würde er sich niemals leeren.

Zu Beginn der Reise wütete der Troll in seinem Käfig. Er schrie und rüttelte an dem Gitter und wollte sich nicht beruhigen. Je mehr Gold jedoch an die Wesen der Welt verteilt wurde, um so ruhiger wurde er. Es schien, als würde eine schwere Last von ihm fallen. Die Bürde der Gier wich von ihm. Sein kaltes Herz erwärmte sich von Haus zu Haus mehr und die vor Wut rot funkelnden Augen glichen immer mehr einem gold schimmernden Licht. Als sie fast am Ende ihrer Reise angekommen waren, hörte Noel den Troll leise schluchzen.

„Was hast Du?“, fragte Noel, der niemanden weinen sehen konnte.

„Ich weine vor Freude.“, schniefte der kleine Troll. „Ich weine, weil eine große Last von meinem Herzen genommen wurde. Ich war so geblendet von all den Schätzen in meinem Topf, dass es so schien als würde mein Herz mehr und mehr zu Stein werden, je heller es in meinem Topf funkelte. Ich habe den Preis des Goldes mit meiner Seele bezahlt und nun, da ihr alles Gold verteilt, erhalte ich meine Seele zurück. Mein Dank wird Euch ewig begleiten.“

Noel musste nun selbst mit seinen Tränen kämpfen.

„Opa, ich glaube wir können den Troll nun aus seinem Käfig lassen. Er wird uns nicht mehr schaden.“

Gesagt, getan und voller Freude sprang der kleine Troll Noel auf den Schoß und schlug dreimal hintereinander einen Purzelbaum, ehe er Noel mit großen Augen ansah.

„Aber was hast du Junge, Du weinst ja?“

„Ach ich weiß nicht so recht. Ich denke, ich möchte nach Hause. Ich möchte zu meiner Mama und zu meinem Papa und natürlich auch zu Oma Auguste. Sie fehlen mir plötzlich so sehr und ich habe das Gefühl ich sollte Weihnachten bei meiner Familie sein.“

Der Opa, der dem Gespräch aufmerksam gefolgt war, wendete den Schlitten.

„Potzblitz, dann bringen wir dich mal heim. Nur lass uns noch eine kleine Runde über das Regenbogenland drehen.“

„Einverstanden.“

„Ho ho ho ihr Rentiere, auf zum Regenbogenland.“

Der Schlitten machte einen Ruck und sie sausten so schnell durch die Lüfte, dass alles unter ihnen verschwamm. Schon bald aber wurde der Schlitten langsamer. Noel sah unter ihnen die Blumenwiese mit den schönen Bach. Er sah die Lichtung der Einhörner und auch Regenbogenstern konnte er gut erkennen, dessen Augen vor Glück funkelten und dessen Haupt sich vor ihm neigte. Auch Noel verbeugte sich.

Opa legte wieder eine halbe Bruchhandlung hin, stieg aus und half Noel und dem Troll aus dem Schlitten. Auch den Schatz stellte er freudestrahlend auf dem Boden ab. Ringsumher jubelten und lachten Zentauren, Zwerge, Gnome, Elfen, Einhörner und all die anderen Zauberwesen.

„Komm Noel, lass uns nach Hause fliegen.“

„Opa, einen kleinen Moment bitte, ja?“

Schnell lief Noel zu Regenbogenstern, legte seinen Kopf an dessen Hals und fragte, ob er ihn denn je wiedersehen würde.

„Wann immer du mich brauchst Noel, wann immer du mich brauchst. Du weißt doch, ich bin eng mit dir verbunden. Denke an mich und ich werde bei dir sein.“

„Das mache ich. Ich hab Dich lieb.“ Noel drückte Regenbogenstern und lief dann schnell zum Opa zurück, denn es war wirklich Zeit, nach Hause zu fahren. Der Schlitten erhob sich in die Lüfte und neben ihnen, Noel traute seinen Augen kaum, flog der Drache.

„Danke, danke mein kleiner Freund.“

Es war schon stockfinster, als der Schlitten schlingernd im Garten von Oma Auguste zum Stehen kam. Wie in jedem Jahr wartete sie bereits vor der Türe. Sie schien keineswegs verwundert, dass der Schlitten des Weihnachtsmannes wie aus dem Nichts in ihrem Garten auftauchte. Sie zwinkerte Noel zu, blickte dann dem Weihnachtsmann direkt in die Augen und schimpfte lachend los.

„Du alter Gauner! Das hätte ich mir ja gleich denken können, dass der Junge bei dir steckt! Du hattest schon immer nichts als Unfug im Kopf.“

Noel und sein Opa schauten sich erstaunt an und zuckten mit den Schultern als würden sie sagen: Typisch Oma Auguste!

Opa ging zu seiner Auguste und wirbelte sie im Kreis herum.

„Hör auf du verrückter Kerl.“, versuchte diese sich lachend zu wehren. „Lass mich meinen Noel drücken.“

Noel rannte auf seine Oma zu.

Sie nahm ihren kleinen Jungen fest in den Arm. Oh wie hatte Noel seine Oma vermisst. Nun Auguste wäre nicht Auguste, wenn sie nicht doch plötzlich wieder lospoltern würde.

„Nun ist genug Noel, mein Kleid zerknittert ja ganz und gar. Wir sollten in das Haus zu deinen Eltern gehen. Schließlich waren sie schon ausser sich vor lauter Sorge!“

Noel hätte schwören können, dass ein winzige Träne in ihrem Auge schimmerte.

„Und du mein Freund hast wohl nichts zu tun!“, wetterte Auguste weiter.

„Ich denke es warten noch einige auf ihre Geschenke heute Nacht!“

Der Opa lachte, ging zurück zu seinem Schlitten, ergriff die Zügel, zwinkerte Noel und Oma Auguste zu und erhob sich mit einem lauten „Ho, ho, ho!“ in die Lüfte.

Aus sicherer Entfernung rief er seiner Auguste zu: „Wir sehen uns wieder Auguste, denn du, so viel steht fest, wirst eines Tages die Weihnachtsfrau.“